Agnes Miegel – eine Reise nach Frankfurt a. d. Oder

von Agnes Miegel

Agnes Miegel – eine Reise nach Frankfurt a. d. Oder

Über die helle, schöngeschwungene, große Brücke, die die alte Stadt mit der Vorstadt verbindet, die hier auf dem früher immer wieder vom Hochwasser bedrohten Damm aufwuchs, treibt mittägliches Leben, rasen die Autos, die Marktwagen rattern, Gemüsefrauchen mit hochbepackten Spankörben auf dem Rücken biegen in die Pappelallee, die an den frühlingsdunstigen Flußauen entlang zu den kieferdunklen Hügelkuppen führt, durch deren Wälder die sonnenweiße Rauchfahne eines Zuges schleift. Vergißmeinnichtblau glänzt der breite Fluß, wenige, langgereckte, dunkle Kähne ziehen langsam mit der Strömung. Sonnendunst liegt über der Vorfrühlingslieblichkeit der Auenufer, die in goldenem Duft verschwimmen. Auf dem linken Stromufer liegt die Altstadt, das „Vrankenvordere” der deutschen Siedler, die hier, wo die uralten Handelsstraßen vom Nordostdeutschland und den Gebirgsländern Schlesiens, von der Mark und den slawischen Ostgebieten sich schnitten, die feste Stadt an der Oder anlegten, berühmt durch Messen und Gelehrsamkeit durch die Jahrhunderte. Von dem alten Glanz Frankfurts ist nicht viel geblieben, aber das Stadtbild hier vom Fluß, mit der wuchtigen Marienkirche, mit dem schlanken Rathausturm, mit den Doppeltürmen der Reformierten Kirche und dem ungeheuerlichen turmlosen Schiff der backsteinernen Barfüßerkirche gibt doch noch gut das Bild der Stadt wie es Jahrhunderte lang der Märker sah, wie es die Menschen sahen, deren Namen ich trage. Denn hier, in der Odergegend, wohnten meine Vatersväter. Sie saßen in den Auen, auf den Hügeln, waren freie Leute in ihren Mühlen, auf ihren Höfen, bis der deutsche Siedler sie und die Ihren in den Kietz drängte. Wurden allgemach wieder frei, sprachen und fühlten wie die Zugezogenen, mit deren Blut und Art sie sich vermischten, und sahen, ob sie im Bruch, ob sie in der kleinen Stadt östlich an den Hügeln saßen, die damals Wein trugen, in dieser Stadt an der Oder ihre Hauptstadt.

Von einem berühmten Schriftsteller las ich in einem Reisebericht, wie er in die Stadt kommt, aus der sein Vater einmal in die Großstadt gezogen war. Der große Mann bemerkte mißbilligend, daß es eine sehr kleine Stadt sei – sonst fand er kein Wort mehr, daß er an solchen Unwert verschwendete! Nun geht es mir ja, wie den meisten Ostpreußen – wo ich in Deutschland hinkomme, einer meiner Ureltern ist sicher von dort nach Ostpreußen gezogen. Und es war ein großer Augenblick in meinem Leben, als ich zum erstenmal in den Bergen war, aus denen die Voreltern meiner Mutter stammten. Johannisabend war´s, auf allen Bergwiesen flammten die Sonnwendfeuer, die Radstätter Bauern standen im Schnee, und in den Tälern, die die rasche, blaue Dämmerung füllte, blühten Rosen und Linden. Ueberschwenglich herrlich standen die blassen Schneefelder, die dunkelblaue Kuppelwucht des Heiligen Untersbergs überm Tal, und ich verstand, wie trotz aller Bitternis des Vertriebenen, trotz gläubiger Fassung, trotz Dank gegen die neue Heimat, die Acker und Wohlstand gab, bis zum Tod das Heimweh nach diesem Land in den Herzen der Auswanderer brannte.
Ich sah das Straßburger Münster wie eine Monstranz über dem „beau jardin” des blühenden Elsaß, das bis zum Ende mit Tränen ersehnte Jugenddorado des Vorfahren, dem ich am meisten gleiche. Ich sah Amsterdam, das alte, düstere men-schenkribbelnde, das für viele unter den Meinigen nicht nur die schönste Stadt der Waterkant war, und die einzige, wo man zu leben, zu kochen und Blumen zu lieben verstand – sondern auch das Jerusalem, wo das Allerheiligste ihres reformierten Glaubens war.

Aber nichts hat mich so ergriffen wie diese Wanderung durch die Oderstadt. Vielleicht weil sie, die hier einmal wohnten, die letzten meiner Väter waren, die nach Preußen gingen, weil ihr Erleben hier mir noch durch direkte Überlieferung vertraut. Aber doch vielleicht, weil sie es waren, deren Name ich führe. Kein modern aufgeklärtes Großstadtempfinden auch bei dem Traditionslosesten kommt über die mystische Bedeutung des Namens hinweg, und sei er wunderlich oder häßlich oder alltäglich, jeder ist stolz auf seinen Vatersnamen. Auch wenn weise Leute einem gern klarmachen wollen, daß er (und überhaupt ein Vater) eigentlich ganz was Überflüssiges sei, sozusagen eine rein theoretische Spielerei des Standesamts. Im Grund denkt jeder dabei wie ich: das kannst du mir lange erzählen! und sieht den Vatersnamen nach wie vor als die schicksalsbestimmte Ergänzung zu seinem Taufnamen an. Der ist der Ruf, mit dem Gott ihn einmal zu sich befehlen wird; dieses der, mit dem die Umwelt ihn nennt, die für ihn, wenn er ein rechter Bürger ist, doch Gleichnis und Gewähr des anderen Reiches bedeutet.
Immer habe ich hier reisen wollen, immer zerschlug es sich. Nun auf einmal fügte alles sich und am Vorabend meines goldenen Lebensjahres, gerade da, wo man noch frohen Anteils voll ist und doch schon beschaulich und nicht ohne Erwartung verschiedener Reisen, auf die man sich in der Jugend weniger zu freuen pflegt, wird mir dieser Wunsch auf´s freundlichste erfüllt.

Marienkirche 1900 auf einer Ansichtskarte

So wandere ich denn fröhlich und ein bißchen feierlich durch die Stadt, die sich (mir als Königsberger recht angenehm) bergan auf den Uferhügeln überm Stadtkern im sumpfigen Flußtal aufbaut. Wunderschön, prunkvoll wie oft in der Mark, ist der Südgiebel des Rathauses. Um das Rathaus steht Bude an Bude, es ist Jahrmarkt, der letzte Nachklang der berühmten Remi-niszeremesse, aus der Zeit, als Frankfurt eine große Handelsstadt war und Stapelrecht besaß. Die alten Häuser am Markt und in den Nebenstraßen sind imponierend hoch, gar nicht kleinstädtisch, mit riesigen, mehrstöckigen Böden, wie in Nürnberg, und die alten Kirchen beweisen das Selbstgefühl der Bürger, die sie bauten und dotierten. Die schönste, die Marienkirche, muß einmal ein erhebender gotischer Dom gewesen sein. Aber unter Schinkels Leitung ist sie im Innern grausig und ganz unvertilgbar ins Klassische umfrisiert. Es ist das lehrreichste Kolleg, das je in Frankfurt gelesen ist, diese Verballhornung. Jeder, der einmal in diese Kirche ging, weiß sofort, wie ewig fremd diese Kunstrichtung unserem deutschen Empfinden war, er weiß, daß man in ihr keine Kirchen bauen konnte. Es gibt heute noch einen Schauer religiöser Ergriffenheit, wenn man vor den Ruinen der antiken Tempel steht, ihre ungeheure Säulenkrone über der Verlassenheit der purpurnen Ebene aufragen sieht. Aber das in Bildungsséancen beschworene Gespenst der Antike war so bleichsüchtig, areligiös, wie ein Großstadtbackfisch, und was es hier in seiner Superklugheit zerstört hat, ahnt man noch vor einigen Ueberbleibseln. Aber selbst das schöne Taufbecken des kunstreichen Gießermeisters Arnold, selbst die triumphierende Freude seines siebenarmigen Leuchters, der seine gewundenen Arme weit ausbreitet, können gegen so viel weißgetünchte und verbildete Nüchternheit nicht an.
Gern hätte ich den schönen, spätgotischen Altar genau besichtigt. Aber St. Hedwig wurde gerade photographiert, und die Märchenkrone der entzückenden Mutter Gottes – blond und rosig strahlend – wurde von einem eifrigen Gehilfen, hoch auf einer Jakobsleiter, mit einem extra großen Flederwisch abgestäubt, während der stattliche Meister eine Art Jupiterlampe über das Goldgefunkel spielen ließ. So hielt ich mich an die alten Epitaphbilder im Chorumgang. Man hat sie mit größter Sorgfalt aufgefrischt und aufgestellt, und unter ihnen ist eins der tiefsten und ergreifendsten Totentanzbilder, das ich je antraf.


Trotz dieser Einzelschönheiten kommt aber keine Stimmung auf, man wundert sich nicht, daß die Marienkirche über der Vorahnung dieser Restaurierung halb den Kopf verlor und am Pfingstmontag vor Schinkels Wirken ihren einen Turm niederprasseln ließ (ohne daß auch nur ein Spatz dabei zu Schaden kam). Jetzt nach hundert Jahren hat man dem Turmstumpf einen soliden Giebelhelm in braver Backsteingotik aufgesetzt. Er bringt die altersdunkle Eigenwilligkeit der wohlerhaltenen Außenhülle der Kirche, an der Generationen ihr Können ansetzten wie Austern an ihrer Bank, zu reizvoller Wirkung.
Neben der Kirche, am Rathausplatz, läßt das sehr erneuerte Leinweberhaus noch ahnen, wie stattlich es einmal war. Dort in dem Gäßchen nach der Taufkapelle zu hielten die Bunzlauer ihr blaubuntes und braunes Töpferzeug feil.
Festlich war die alte Hansestadt noch mit dem Nachglanz ihrer Messe. Und nicht nur für meine Augen schön, die überall das Alte suchten, das noch Augen sahen wie meine. Wie viele unsrer Mittelstädte quirlt sie von Leben und Lebenswillen, zeigt auf Schritt und Tritt, auch in Abputz und Anstrich, vorbildliche Neubauten, vom Musterbahnhof bis in die Siedlungen an den Hügelhängen. Und besitzt allerschönste Gartenanlagen. Die alte Stadtmauer sieht aus den Fensterchen ihrer eingebauten spitzgiebeligen Fachwerkhäuschen in eine Wirrnis uralten Baumbestandes, an den Resten des Wallgrabens. In der sanfteren, märkischen Märzluft blühen Schneeglöckchen und Winterling, erste, lichtgrüne Grashalme schimmern über der feuchten Erde, das Gebüsch ist dunkelpurpurn von Erlenkätzchen, scharlachrot und strahlend gelbgrün glänzen die saftquellenden Zweige der Weiden und Hartriegelsträucher, Haseln stäuben, Birken wehen mit braunem Kätzchenhaar, und aus dem efeudunklen Grund, aus den sonnetropfenden Kronen der riesigen, uralten, einzig schönen Silberpappeln, die den Ruhm dieses Parks bilden, kommt Vogelschlag, der ganze Hain ist ein seliges Frühlingslied.


Am süßesten ist das Trillern auf dem alten, großen Friedhof, in dessen Gartenstille Ulrike von Kleist, die geliebte Schwester des Dichters, schläft. Er hat sein schönes Gedenkmal mitten in der Stadt, vor dem alten Barockbau des St.-Spiritus-Hospitals, dort auf dem ehemaligen Kirchhof, wo auch das Denkmal für Ewald von Kleist steht. Im Mondschein stand ich dort, das erste war’s, was ich sah. Eine mächtige Pappel ragt hinter dem sinnenden Genius, über den gebrochenen Dächern dämmerte silberne Bläue, und die mondglänzende, ruhige Jünglingsgestalt mit der Leier blickte hinauf nach der ew´gen Flur überm Gitter der kahlen Zweige, wo der himmlische Jäger mit seinen Hunden jagte. Und ich fühlte hier, mehr als vor dem einsamen Grab in Wannsee, was Kleist uns bedeutet, und was es meint, Preuße zu sein.


Tiefer aber noch fühlte ich es an meinem letzten Morgen dort auf der Terrasse des wunderschönen Ostmarkstadions, vor den Waldhöhen, deren grüne Kiefernkronen leise im Morgenwind orgelten. Drüben, jenseits des Stromes, lag die alte Stadt mit Türmen und Dächergewirr, in den Dammwiesen dunkelten schlanke Alleepappeln, glänzten die gelblichen Rasenflächen des Sportplatzes, über die schimmernde Bläue der Schwimmbecken zogen die Schwäne, und breit und ländlich behaglich lag da unten das „Rote Vorwerk”, Obstbaum an Obstbaum badete seine Krone im milden Licht.
„Dort lag Laudon! Dort, wo damals noch alles Sumpf war, schlug er den Knüppeldamm! So schnitt er den Weg ab, so erreichten seine Truppen die Höhen vor den abgekämpften Preußen.”

Die älteste Stadansicht von Frankfurt / Oder – Holzschnitt von 1548

Die Stimme des alten Herrn bebt vor Erregung, er zeigt nach dem Wald, wo das Unheil über Friedrichs Heer hereinbrach am Schicksalstag von Kunersdorf.
Und wir beide, die uns nie vorher sahen, nie wieder begegnen werden, der Greis und ich, der Märker und die Ostpreußin, sind auf einmal einander nah wie Geschwister, glühend in dem Gefühl, höher als alle Vernunft, das neben der Flamme des Glaubens uns Sterblichen als Stärkstes und Bewegendstes verliehen ist. Fühlen wieder beim Klang des großen Namens den Schauer, der unsre Vorväter durchrann, den jede Nation fühlt, wenn aus ihr der Genius aufsteigt, der das Antlitz der Welt wandelt – die Gnadengewißheit, auserwählt zu sein unter den Völkern. Und schmetterten noch einmal mit den Zerstäubten nieder im Ikarussturz jenes Tages. Sie suchten nach Trost, heimlich, in der Bodenkammer, wo der Kleinste, geborgen vor der feindlichen Soldateska, die durch das Haus lärmte, im Wiegenkorb schlief, däumelten sie in der Bibel.
Unten glänzt die Au, Sonne streift die Krone der alten Eiche im Halbrund des Stadions. Trost wurde uns mehr, als jene Verstörten zu hoffen wagten nach alter Verheißung. Wir sahen den Sonnenflug unsrer Adler. Aber wir sahen auch ein Abendrot, blutiger als das von Kunersdorf.
Die Kiefern sausen, Harzduft und der Hauch sprossenden Grases treibt im milden Märzwind, ein Fink probt seinen Schlag. Das schöne Stadion liegt heiter und festlich bereit für eine neue, blühende Jugend, für die Kinder der alten wiedererwachenden Hansestadt drüben an der Oder. Wir gehen, Märker und Preuße, zum Staub unsrer Väter, die der Heimat lebten.

24.3.1928, 2. Beil.

Dieser Artikel wurde erstmals seit Erscheinen in der „Königsberger Allgemeinen Zeitung“ wiederveröffentlicht in dem Buch:

Agnes Miegel, Wie ich zu meiner Heimat stehe – Neuauflage im Dezember 2021 –Vorbestellung sind erwünscht!
Agnes Miegel, Wie ich zu meiner Heimat stehe (Hrsg. Helga und Manfred Neumann)

Feuilletonistische Texte

Zum 1. Oktober 1926 wechselte Agnes Miegel von der „Ostpreußischen Zeitung“ als freie Mitarbeiterin zur „Königsberger Allgemeinen Zeitung“. Ihre Beiträge umfaßten Begebenheiten aus dem Alltag, einfühlsame Natur- und Landschaftsbeschreibungen, interessante Reiseberichte und sachkundige Stadtführungen in ganz Deutschland – Artikel, die nahezu ausnahmslos in der anspruchsvollen Unterhaltungsbeilage der „Königsberger Allgemeinen Zeitung“ erschienen. Ab dem Jahre 1930 ließ Agnes Miegel ihre journalistische Mitarbeit auslaufen. Dennoch meldete sie sich in den Folgejahren immer wieder mit vereinzelten Publikationen bei ihrer Leserschaft zurück.
Erstmals liegen nun ihre feuilletonistischen Texte und Gedichte in Buchform vor. Die Wiederentdeckung dieser wertvollen Zeitungsbeiträge bedeutet für die Literaturwissenschaft eine kleine Sensation, für die Leser und Verehrer Agnes Miegels ein ganz besonderes Erlebnis und Lesevergnügen.

1879-1964
Gedichte von Agnes Miegel aus iherer letzten Lesung – von ihr selbst gesprochen. Dazu ostpreußische Heimatlieder.

Scheitert der „Great Reset“?

von Dr. Jens Woitas

Scheitert der „Great Reset“?

Der „Great Reset“ oder die „Große Transformation“ ist ein Begriff, über den – besonders innerhalb der demokratischen Gegenöffentlichkeit – im Zusammenhang mit der Corona-Krise viel diskutiert wird. Gemeint ist damit eine Veränderung, welche den Menschen und seine Lebensweise an hauptsächlich technische Erfordernisse anpasst, die von den Befürwortern dieser Transformation als alternativlos angesehen werden. Dies bedeutet vor allem ein „klimaneutrales“ Wirtschaften ohne Erzeugung von „Treibhausgasen“, aber auch eine Anpassung der menschlichen Arbeit und Lebensgestaltung an die Anforderungen der „Digitalisierung“. Weiterhin soll ein dauerhafter Weltfrieden dadurch entstehen, dass sich die bisherigen Völker durch Migrationsbewegungen miteinander vermischen und die heutigen Nationalstaaten weitgehend zugunsten von globalen bzw. europäischen Strukturen abgeschafft werden. „Geschlechtergerechtigkeit“ im Sinne des gender mainstreaming vervollständigt dieses Programm, für dessen Umsetzung manche seiner Protagonisten sogar den Transhumanismus, also die Verschmelzung des biologischen Menschen homo sapiens mit künstlicher, digitaler Intelligenz als gerechtfertigtes und wünschenswertes Mittel ansehen.

Da bei diesem Thema sehr leicht in den Bereich der „Spinnerei“ abgeglitten werden kann, sind an dieser Stelle einige Bemerkungen und Abgrenzungen notwendig: Zunächst einmal ist der „Great Reset“ alles andere als ein Hirngespinst. Der Begriff selbst stammt von einem seiner Protagonisten, nämlich von Klaus Schwab, seines Zeichens Vorsitzender des World Economic Forum (WEF, auch bekannt als „Davos-Konferenz“). Auch Angela Merkel sprach wiederholt von der „Notwendigkeit einer umfassenden Transformation unseres Lebens“, zuletzt bei der Weltklimakonferenz in Glasgow. Andererseits kann aus meiner Sicht der „Great Reset“ nicht als umfassender, sinistrer Plan von im Geheimen wirkenden „Verschwörern“ angesehen werden. Es gibt zwar eher lose Organisationsformen wie das bereits erwähnte WEF, aber keine aktive Konspiration. Es ist jedoch eine Tatsache, dass sich die große Mehrheit des weltweiten Aktien- und Finanzkapitals in der Hand von nur 150 bis 200 Einzelpersonen bzw. Familien befindet. Diese Gruppe stellt ein Konglomerat heimlicher Weltmächte dar, zu denen noch eine ebenfalls relativ kleine Zahl von staatliche Akteuren und mächtigen globalen Nichtregierungs-Organisationen (NGOs) hinzukommt, so dass wir es hier in der Tat mit einer weltbeherrschenden Oligarchie zu tun haben. Wirkliche „Verschwörung“ ist dabei gar nicht notwendig, da die – vor allem wirtschaftlichen – Interessen der einzelnen Spieler in den meisten Fällen nahezu von selbst parallel laufen.

In Teilen der Gegenöffentlichkeit wird der Fehler gemacht, im „Great Reset“ und seinen Vertretern die Inkarnation eines absoluten Bösen zu sehen, das sich in letzter Konsequenz auf den Satanismus zurückführen ließe. Es kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass einige „Global-Fürsten“ aus einem Cäsaren- und Größenwahn heraus destruktiven Antrieben folgen oder sich an satanistischen Praktiken beteiligen. Dennoch sind ihre Ziele nicht an sich böse. Wer wäre schon gegen ökologische Nachhaltigkeit, Völkerfrieden, technischen Fortschritt, soziale Gerechtigkeit, etwa durch ein bedingungslosen Grundeinkommen, oder gegen die wirksame Prävention von Covid-19, Krebs und anderen Krankheiten durch gentechnische Verfahren? Die Vision eines erfolgreichen „Great Reset“ hat offensichtlich große Ähnlichkeit mit Karl Marx‘ Bild des vollendeten Kommunismus, der allerdings in unserer Gegenwart durch den globalen Kapitalismus herbeigeführt werden soll. In beiden Fällen liegt das Böse nicht in der Zielsetzung selbst, sondern vielmehr in den Mitteln, die zum Zwecke ihrer Erreichung eingesetzt werden. Diese haben allerdings die ungute Eigenschaft, dass sie statt des Paradieses der Theorie fast immer die Hölle der Praxis erschaffen.

Im Unterschied zu vielen Vertretern der demokratischen Gegenöffentlichkeit sehe ich in unserer Gegenwart auch keinen von langer Hand vorbereiteten Plan zur Ausführung des „Great Reset“, bei dem „Verschwörer“ nach festen Vorgaben unerbittlich zum Schaden der Menschheit handeln würden. Dagegen spricht nämlich ein wesentlicher Glaubenssatz der global-liberalen Ideologie, auf den uns Alain de Benoist in seinem jüngst auch in deutscher Sprache erschienenen Werk „Gegen den Liberalismus“ hinweist: „Der Markt“ erschafft in den Augen der Liberalen auch aus dem größten Chaos heraus immer die bestmögliche Ordnung. Der Weg zu großen positiven Veränderungen besteht in dieser Denkweise also nicht in Planung, sondern darin, Unordnung und Unsicherheit zu erzeugen, auf dass daraus von selbst der Heilszustand des „Great Reset“ entstehe. Diese Vorgehensweise weist übrigens sehr deutliche Parallelen zum Maoismus auf. Der „Große Vorsitzende“ Mao Zedong erzeugte während der „Großen proletarischen Kulturrevolution“ absichtlich ein großes Chaos in China, um auf diese Weise den mühevollen Weg zum vollendeten Kommunismus abzukürzen. Das katastrophale Scheitern dieses Vorhabens ist allzu bekannt. Ohne diese Analogie zu weit zu treiben, kann man eine solche „kulturrevolutionäre“ Haltung auch als Leitmotiv der Kanzlerinnenschaft Angela Merkels verstehen. Sie erzeugte in ihren 16 Amtsjahren immer wieder durch disruptive Handlungen wie die Energiewende von 2011 oder die Massenmigration von 2015/16 bewusst Instabilität, wahrscheinlich in der (vergeblichen) Hoffnung, dass liberale Marktkräfte nach ihren „Rettungsaktionen“ die Verhältnisse von selbst in ein neues, besseres Gleichgewicht bringen würden. In der Corona-Krise wird dieses riskante Spiel mit einem neuen, diesmal sehr viel höheren, Einsatz auf die Spitze getrieben und damit in den letzten Tagen von Frau Merkels Amtszeit zu einem großen Finale gebracht, in dem sich die politische Bilanz der gesamten letzten 16 Jahre entscheiden wird.

Damit sind wir nun an einer Stelle angekommen, an der wir das bisher Gesagte auf unsere Gegenwart beziehen können. Ich habe an dieser Stelle schon früher die Ansicht vertreten, dass die Corona-Krise zwar keine „Plandemie“ ist, die uns von den Herrschenden nur als Mittel zu völlig anderen Zwecken vorgespielt wird, dass aber im praktischen Umgang mit dem realen Phänomen Covid-19 Interessen und Haltungen der politischen Akteure, die alles andere als medizinisch-virologischer Natur sind, eine gewichtige Rolle spielen. Hier werde ich mich auf den Punkt fokussieren, dass der Ausbruch der Corona-Krise im Frühjahr 2020 von den oben genannten globalistischen Mächten auch als ein willkommener Anlass dazu gesehen worden ist, weltweite Unsicherheit und Unordnung zu erzeugen, um auf diese Weise die Entwicklung zum „Great Reset“ dramatisch zu beschleunigen. Für diese These lässt sich eine Reihe von handfesten Begründungen anführen, sodass es sich dabei aus meiner Sicht keineswegs um eine „Verschwörungstheorie“ handelt. Erstens wurde mit dem geradezu putschartigen Übergang zu einem praktisch weltweiten Ausnahmezustand die öffentliche Meinung in einem vielleicht nie vorher dagewesenen Ausmaß uniformiert und „auf Linie gebracht“, was entscheidend wichtig für die gesellschaftliche Akzeptanz der angestrebten „umfassenden Transformation unserer Lebensweise“ ist. Gerade in Deutschland erfuhr gleichzeitig mit dem Beginn der Corona-Maßnahmen der „Kampf gegen rechts“ eine ungeheure Verschärfung bis hin zu staatlichen Willkürmaßnahmen, und gleichzeitig wird ein weitgehend unbelegter Pauschalvorwurf des „Rechtsextremismus“ bis heute zur Diffamierung aller Maßnahmen-Kritiker missbraucht. Zweitens wurde der Beginn der Corona-Krise in fast allen westlichen Staaten zum Anlass genommen, um – vordergründig zum Zwecke der Finanzierung wirtschaftlicher Ausgleichsmaßnahmen für den Lockdown – von einer Kreditaufnahme der Staaten am Kapitalmarkt zu einer direkten Staatsfinanzierung durch die Notenbanken umzusteigen. Dies ist deshalb so wichtig, weil zentrale Elemente des „Great Reset“ wie Energiewende und bedingungsloses Grundeinkommen (als sozialer Ausgleich für durch Digitalisierung verlorengegangene Arbeitsplätze) derartig kostenintensiv sind, dass sie sich überhaupt nur durch Gelddrucken nach Maßgabe der Modern Monetary Theory (MMT) finanzieren lassen. Drittens wurde die Corona-Politik von Anfang an mit dem Thema des „Klimaschutzes“ verquickt, insbesondere im Zusammenhang mit dem Green New Deal der Europäischen Union. Zu diesem Zweck fand eine gravierende Umdeutung des deutschen Verfassungsrechtes statt, welche erst den Corona-Schutz, dann auch den Klimaschutz zu „Super-Grundrechten“ erklärte, die weit über den eigentlichen Grundrechten stehen und diese dann auch nach Belieben außer Kraft setzen können (Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 29. April 2021). Viertens wurden selbst angesichts von Lockdown, Quarantäne-Maßnahmen und Grenzschließungen keine Abstriche von der Forderung gemacht, dass jeder Asylbegehrende mit dem Überschreiten der deutschen Staatsgrenze ein Recht auf dauerhaften Aufenthalt, Familiennachzug und unbegrenzten Bezug von Sozialleistungen erwirbt. Die flächendeckende Beschallung der im Lockdown ausgestorbenen deutschen Städte durch Muezzin-Gesänge im Frühjahr 2020 wirkte wie ein Zeichen dafür, dass der deutsche Nationalstaat zugunsten globalistischer „Multikulturalität“ faktisch aufgehört hatte zu existieren. Fünftens ist spätestens heute klar erkennbar, dass die Corona-Politik von Anfang mittels der Covid-19-Impfungen den weltweiten Durchbruch der sogenannten mRNA-Technologie erreichen wollte, also eine flächendeckende Anwendung der Gentechnologie am lebenden Menschen. Auch wenn die mRNA-Impfstoffe nicht unser Erbgut verändern, sondern „nur“ unsere Immunabwehr, kann man dies durchaus als Einstieg in den Transhumanismus auffassen.

Trotz dieser scheinbaren „Erfolgsbilanz“ der Protagonisten des „Great Reset“ wage ich hier die These, dass sich in unserer unmittelbaren Gegenwart das Scheitern dieses Programmes schon deutlich abzeichnet. An mindestens drei zentralen Punkten wurden nämlich die Erwartungen der globalen Eliten nicht erfüllt. Erstens misslang die ideologische „Gleichschaltung“ der westlichen Gesellschaften. Eines der wesentlichen bisherigen Ergebnisse der Corona-Krise ist nämlich ein dramatischer Vertrauensverlust bisheriger „Leitmedien“, wie er sich etwa an drastisch sinkenden Auflage-Verlusten vormals meinungsbildender Printmedien äußert, zugunsten eines ungeheuren Aufschwunges einer Gegenöffentlichkeit – vor allem, aber nicht nur im Internet. Auch die zunehmende Meinungszensur der Internet-Konzerne kann daran kaum etwas ändern, weil es nämlich in der Anfangsphase der Corona-Krise nicht gelungen ist den – damals hauptsächlich „rechten“ – Gegner und damit die Meinungsfreiheit als solche völlig auszuschalten. Heute müssen selbst Propagandamedien wie die ARD-„Tagesschau“, wenn auch in diffamierender Weise, immer wieder über die Gegenöffentlichkeit berichten und damit zeigen, dass diese ernst genommen werden muss und keineswegs nur aus „Spinnern“ besteht. Zweitens sind die gegenwärtigen inflationären Tendenzen – im Unterschied zur Meinung von Teilen der Gegenöffentlichkeit – mit Sicherheit nicht im Sinne der Urheber des „Great Reset“. Sie zeigen nämlich überdeutlich die Grenzen der erwähnten Modern Monetary Theory und damit der Illusion einer unbegrenzten Verfügbarkeit von Finanzmitteln auf. Darüber hinaus ist eine Analogie zwischen dem heutigen internationalen Kapital und den „Inflationsgewinnlern“ von 1923 schlichtweg falsch. Gerade typische Global Player wie Amazon, Apple, Google oder Facebook verfügen kaum über Sachwerte, welche eine Hyperinflation unbeschadet überstehen könnten, sondern nur über ein bereits jetzt inflationäres Geldvermögen. Drittens ist auch das heute bereits offensichtlich gewordene Scheitern der Corona-Impfkampagne mit Sicherheit nicht Bestandteil eines sinistren Planes. Im Gegenteil: Nur eine wirklich stabile Immunisierung durch zwei Injektionen hätte zum einen den dringend benötigten Erfolg der mRNA-Technologie dargestellt, zum anderen aber auch das notwendige Vertrauen in die Protagonisten des „Great Reset“ gesichert bzw. wiederhergestellt. Stattdessen findet nunmehr ein Vertrauensverlust sowohl in die Impfungen als auch in die gesamte Corona-Politik statt, dessen Folgen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht überblickt werden können. Im Sinne der Urheber des „Great Reset“ ist dies jedoch mit Sicherheit nicht. Man könnte hier noch als einen vierten Punkt anführen, dass sich die bisherige Strategie für eine „Energiewende“ zunehmend als praktisch unausführbar erweist, weil sich bereits heute Energie- und Rohstoffknappheit zu einem Zeitpunkt deutlich bemerkbar machen, an dem etwa die flächendeckende Einführung der „Elektromobilität“ erst in ihren Anfängen steckt. Allenfalls die verteufelte Kernenergie könnte hier für Besserung sorgen, was mit Sicherheit nicht in das Konzept eines „Great Reset“ passen würde.

Was bedeutet dies alles für die demokratische Gegenöffentlichkeit? Wer gegen die Globalisierung und die damit verbundenen Politik des „Great Reset“ ist, der wird natürlich mit Erleichterung die Tatsache registrieren, dass diese Entwicklungen sichtbar an ihren eigenen Widersprüchen scheitern. Damit ist es jedoch nicht getan. Eine große Gefahr für uns alle liegt nämlich darin, dass die etablierte Politik nicht mehr dazu in der Lage sein könnte, Auswege aus dem selbsterzeugten Chaos zu finden. Das große Problem wäre dann nicht ein verborgener Plan für einen „Great Reset“, sondern vielmehr das völlige Fehlen eines solchen Planes. Wer eine Alternative zu dieser Politik vertreten will, muss also zu allererst ein Konzept dafür besitzen, wie sich möglichst schnell wieder geordnete Verhältnisse herstellen lassen. Ein großer Schwachpunkt von Corona-skeptischen Bewegungen wie den „Querdenkern“ besteht dabei aus meiner Sicht darin, dass sie in ihrem berechtigten Widerstand gegen die Corona-Politik den status quo ante der Jahreswende 2019/20 gleichsam zu einem Idealzustand erklären. In Wirklichkeit waren aber schon zu diesem Zeitpunkt viele Fehlentwicklungen sehr weit fortgeschritten, die sich im Zuge der Corona-Krise nochmals dramatisch verschärft haben: Die internationale Schulden- und Finanzkrise, die Staatszersetzung im Gefolge der Massenmigration, eine wachsende Bereitschaft zu politisch-religiöser Gewalt, weltpolitische Instabilität, Verschleiß der staatlichen Substanz, Demokratieabbau, Verarmung, Bildungsverfall und auch die aus meiner Sicht durchaus reale Umwelt- und Klimaproblematik. Ein Zurück zum Zustand „vor Corona“ wäre also weder realistisch noch wünschenswert. Stattdessen kommt es meiner Meinung nach darauf an, dem Begriff des „Great Reset“ einen neuen, besseren Sinn zu geben. Eine Transformation unserer Lebensverhältnisse muss keine Schreckensvision darstellen, wenn sie sich an den Bedürfnissen des biologischen Menschen homo sapiens orientiert, anstatt diesen Menschen nach den Vorgaben scheinbar alternativloser technologischer Zwänge neu erschaffen zu wollen. Dazu ist es vor allem anderen notwendig, dass sich das demokratische Staatsvolk auf nationaler und europäischer Ebene endlich wieder als ein solches konstituiert und sich dann in einer ergebnisoffenen und realitätsbezogenen Diskussion die Frage stellt: „Wie wollen wir leben?“ Eine detaillierte Beschreibung eines solchen positiven „Great Reset“ würde den Rahmen dieses Essays sprengen. Daran interessierte Leser verweise ich auf mein im Lindenbaum-Verlag erschienenes Buch Revolutionärer Populismus. An dieser Stelle ist vor allem wichtig, dass trotz der riesigen Probleme unserer Gegenwart und der scheinbaren Übermacht unserer Gegner durchaus eine nicht geringe Hoffnung auf Besserung besteht.

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Dr. Jens Woitas

Jens Woitas, geboren 1968 in Wittingen (Niedersachsen), verheiratet, lebt (mit einigen Unterbrechungen) seit 1970 in Wolfsburg. Abitur 1988, dann Zivildienst und Tätigkeit als Gartenarbeiter. Studium der Physik in Clausthal-Zellerfeld und Tübingen, dann Promotion zum Doktor der Naturwissenschaften in Heidelberg (1999). Wissenschaftlicher Mitarbeiter an astronomischen Forschungsinstituten in Tübingen, Heidelberg und Tautenburg (1995-2005), dann Unternehmensberater. Seit 2011 Erwerbsunfähigkeitsrentner. Von Kindheit an lebhaft an Politik, Geschichte, Literatur und Religion interessiert, Mitglied der evangelisch-lutherischen Kirche und von 2017 bis 2020 Mitglied der Partei DIE LINKE. Neben einer Reihe von Artikeln in astronomischen Fachzeitschriften auch Autor einer autobiographischen Erzählung (Schattenwelten, Mauer Verlag, Rottenburg am Neckar 2009). In den letzten Jahren intensive Beschäftigung mit dem Denken des Neomarxismus und der „Neuen Rechten“ unter Einbeziehung französischer Originaltexte, insbesondere von Alain de Benoist und Jean-Claude Michéa.

Im Lindenbaum Verlag ist soeben das Buch „Revolutionärer Populismus. Das Erwachen der Völker Europas“ von Dr. Jens Woitas erschienen und kann hier bestellt werden: https://lindenbaum-verlag.de/produkt/revolutionaerer-populismus/

Polens rechtstreuer Grenzschutz und die unheilige Allianz der perfiden Migrantenlobbyisten!

von Klaus Kunze

Polens rechtstreuer Grenzschutz und die unheilige Allianz der perfiden Migrantenlobbyisten!

Die unheilige Allianz

Als in Mainz einst noch gesungen und gelacht wurde, fragte der Karnevalspräsident das Publikum vor dem Auftritt von Karnevalisten: “Wolle mer se neilasse?” Das ist lange her. Heute ist uns das Lachen vergangen, denn wir werden nicht mehr gefragt, ob und wen wir reinlassen wollen.

“Jetzt sind sie nun mal da”, hatte unsere oberste Vertreterin von Migranteninteressen 2015 scheinheilig geseufzt. Tatsächlich besteht eine unheilige Allianz verschiedener Interessengruppen, die möglichst viele Ausländer in Deutschland ansiedeln möchten. Die Konzerne benötigen neue Verbraucher, der Staat sehnt sich nach Steuer- und Beitragszahlern, Linksextremisten möchten das deutsche Volk ethnisch umkrempeln und verrecken lassen, Kirchenfürsten mahnen von der Kanzel Nächstenliebe an.

Die Melodie ist überall dieselbe, nur die Texte leicht unterschiedlich. Diese Sänger lieben Ausländer so sehr, daß sie möglichst viele in Deutschland haben wollen. Sie instrumentieren sie auf ihre jeweils eigene Weise. Deutschland soll sich von Grund auf verändern, darauf freuen sie sich, und das bezwecken sie. Darum hängen sie selbst jenen, die sich an den Außengrenzen zusammenrotten und gewaltsam eindringen wollen, das Mäntelchen des armen Flüchtlings um und versehen ihn mit dem Heiligenschein des Asylsuchenden.

Während unsere europäischen Nachbarn buchstäblich ihre Knochen dafür hinhalten, nicht von Grenzbrechern überrannt zu werden, müssen sie sich von unserer linksextremen Medienschickeria und Parteivertretern noch beschimpfen lassen. Aus schwarz machen sie weiß, aus Unrecht Recht und Recht soll als Unrecht dastehen. Nachdem Lukaschenko sich in arabischen Ländern 5000 € für eine Flug nach Minsk mit garantierter Schleusung nach Polen zahlen läßt, bringen die armen Verfolgten schon Bolzenschneider und Äxte mit, um Stacheldraht zu überwinden und Bäume als Rammen zu fällen. Die Bilder gingen um die Welt.

Polen verhält sich rechtmäßig

Jedes Land hat das Recht, seine Grenzen gegen gewaltsame Eindringlinge zu verteidigen. Gäbe es ein höherrangiges, ein internationales Recht, welches dem Land den Schutz seiner Grenzen verbietet, wäre das Land gut beraten, aus einem solchen Rechtssystem auszutreten.

Das EU-Recht gibt dazu allerdings keinen Anlaß. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat genau solch einen Fall 2020 entschieden, wie er sich an der polnischen Ostgrenze jetzt wieder ereignet. Das war geschehen:

Am 13.8.2014 versuchten sie um 4 Uhr 42 mit rund 600 anderen Migranten, die Grenze zu Melilla zu überwinden. Während die meisten von der Guardia Civil daran gehindert werden konnten, über den Zaun zu klettern, gelang es den beiden Bf. und circa 75 anderen, den höchsten Punkt des innersten Zauns zu erreichen. Nachdem sie rund acht Stunden auf dem Zaun ausgeharrt hatten, verließen sie diesen am frühen Nachmittag mit Hilfe einer von der Guardia Civil bereitgestellten Leiter. Sobald sie festen Boden unter den Füßen hatten, wurden sie von den Beamten festgenommen. Diese legten ihnen Handfesseln an, brachten sie zurück nach Marokko und übergaben sie den marokkanischen Behörden.

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, N. D. und N. T. gg. Spanien, Aktenzeichen 8675/15 und 8697/15, Urteil vom 13.2.2020, Große Kammer

Die gewaltsamen Grenzbrecher hatten ebensowenig versucht, an einer regulären Grenzübergangsstelle Asyl zu beantragen, wie es die von Lukaschenko in den tiefen Wald gekarrten Araber nicht für nötig halten. Die Bilder gleichen sich, ob an der spanischen Grenze in Ceuta, an der griechischen Landgrenze zur Türkei oder im polnischen Wald: Ein gewaltbereiter, teils bewaffneter Mob versuchte die Grenze im Sturm zu nehmen. Beim EuGH gab es dafür keinen Rabatt:

Nach Ansicht des Gerichtshofs (GH) muß derselbe Grundsatz auch gelten, wenn durch das Verhalten von Personen, die eine Landgrenze auf rechtswidrige Weise überqueren und dabei bewußt ihre große Zahl ausnutzen und Gewalt anwenden, eine eindeutig destabilisierende Situation geschaffen wird, die schwer zu kontrollieren ist und die öffentliche Sicherheit gefährdet. In diesem Kontext wird der GH allerdings bei der Prüfung einer Beschwerde unter Art. 4 4. Prot. EMRK maßgeblich berücksichtigen, ob der belangte Staat unter den Umständen des konkreten Falls wirklichen und wirksamen Zugang zu Mitteln der rechtmäßigen Einreise vorsah, insbesondere durch Verfahren an der Grenze. Wenn der belangte Staat solchen Zugang vorsah, ein Bf. aber keinen Gebrauch davon gemacht hat, wird der GH im vorliegenden Kontext und vorbehaltlich der Anwendung von Art. 2 und Art. 3 EMRK berücksichtigen, ob es zwingende Gründe dafür gab, dies nicht zu tun, und ob diese Gründe auf objektiven Tatsachen beruhten, für die der belangte Staat verantwortlich war.

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, N. D. und N. T. gg. Spanien, Aktenzeichen 8675/15 und 8697/15, Urteil vom 13.2.2020, Große Kammer

Der EuGH hat die Klage abgewiesen und Spanien Recht gegeben. Es durfte die Eindringlinge kurzerhand am Kragen packen und wieder hinauswerfen.

Wo solche Vorkehrungen bestehen und das Recht gewährleisten, in wirklicher und wirksamer Weise nach der Konvention und insbesondere Art. 3 Schutz zu begehren, hindert die EMRK Staaten nicht daran, in Erfüllung ihrer Verpflichtung, die Grenzen zu kontrollieren, zu verlangen, daß Anträge auf einen solchen Schutz bei den bestehenden Grenzübergängen gestellt werden […]. Folglich können sie Fremden, einschließlich potentieller Asylwerber, die es ohne zwingende Gründe verabsäumt haben, diesen Regelungen zu entsprechen, indem sie versuchen, die Grenze an einem anderen Ort zu überqueren – und dabei insbesondere wie im vorliegenden Fall ihre große Zahl ausnutzen und Gewalt anwenden – die Einreise in ihr Staatsgebiet verweigern.

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, N. D. und N. T. gg. Spanien, Aktenzeichen 8675/15 und 8697/15, Urteil vom 13.2.2020, Große Kammer

Die polnischen Grenzer haben alles Recht, gewaltsam Eingedrungene am Kragen zu packen und zu den drüben grinsend wartenden Weißrussen zu schicken.

Die Mär von den illegalen Pushbacks

Gleichwohl trommeln unsere üblichen Verdächtigen in ihren Propagandamedien tagein tagaus und singen ihr Lied von den angeblich illegalen Pushbacks. Sie greifen seit Monaten Ungarn und Kroatien an, die ihre Grenzen und damit zugleich uns vor gewaltbereiten Eindringlingen verteidigen.

Tränendrüsen- und Lügenpropaganda

Ihre Propaganda zielt auf unsere moralischen Tränendrüsen und ist im Kern eine Lügenpropaganda.

Wie 2015 im Fall der wirklichen oder vorgeblichen Kinderleiche am Strand der Ägäis lügen sie mit Bildern.

Eine bebilderte Twitter-Meldung zeigte ein Kind auf der weißrussischen Seite der polnischen Grenze, dem Rauch in die Augen gepustet wurde, um sogleich von einem polnischen Tränengaseinsatz berichten zu können. Vielfach wird solche Desinformation von Minsk oder Moskau gesteuert. Putin ist da von Hause aus vom Fach. Mit Desinformation sollen die EU und ihre Mitgliedsländer destabilisiert werden.

Solche Propaganda wirkt nur, wenn die Fachleute schon vor solchen getürkten Vorfällen am Ort sind, um sie zu filmen und ihre Lügen medial zu verbreiten. Ohne eine eingespielte Infrastruktur könnten sie nicht “zur rechten Zeit am rechten Ort” sein.

Die Bemühungen der östlichen Potentaten, die EU und unser Land zu destabilisieren, vereinen sich mit gleichgerichteten Absichten eines Teiles unserer einheimischen Linksextremisten, den Profitinteressen von Schleusern und den Plänen sogenannter Menschenrechtsaktivisten. So jammerte bereits ein “Generalsekretär” eines eingetragenen Berliner Vereins mit hochtrabendem Namen:

Menschenrechtler sind fassungslos.  […] Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bedeutet für Schutzsuchende offenbar keine Hoffnung mehr. Aber das kann sich auch wieder ändern. Gerichte sind nur die letzte Zuflucht. Wir müssen gemeinsam dafür kämpfen, dass die Europäer wieder für die von ihnen behaupteten Werte und vor allem für die Grundrechte aller Menschen einstehen.

Wolfgang Kaleck, Jahrgang 1960, ist Generalsekretär des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), hier im Interview mit Steffen Lüdke, Der Spiegel 14.2.2020, “Das Urteil macht die Festung Europa dicht”

Auch mir kommen da die Tränen der Fassungslosigkeit und der Rührung.

Dieser Artikel erschien auch auf der stets sehr informativen Seite von Klaus Kunze:

“Wolle mer se neilasse?”



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Klaus Kunze



Klaus Kunze, seit 1984 selbständiger Rechtsanwalt in Uslar, von 1970-71 Herausgeber eines Science-Fiction-Fanmagazins, von 1977 bis 1979 Korrespondent der Zeitung student in Köln, seit 1978 diverse Beiträge in genealogischen und heimatkundlichen Fachzeitschriften, seit 1989 Beiträge für politische Zeitschriften wie u. a. die Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT

Autor der Bücher:

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Und das neue Werk von Klaus Kunze: Die solidarische Nation. Wie Soziales und Nationales ineinandergreifen. Gebundene Ausgabe, 206 Seiten, Preis: 19,80 Euro ist hier erhältlich: https://lindenbaum-verlag.de/produkt/die-solidarische-nation/

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Klaus Kunze: Das ewig Weibliche im Wandel der Epochen. Von der Vormundschaft zum Genderismus. Hier erhältlich!

Die Öffnung der Berliner Mauer am 9. November 1989 – bewegte und bewegende Tage

von Matthias Koeppel

Die Öffnung der Berliner Mauer am 9. November 1989 – bewegte und bewegende Tage

Die Öffnung der Berliner Mauer vollzog sich aus meiner Sicht — und ich war überall mit dem Skizzenblock dabei — in drei Schritten: Da war die Nacht vom 9. November 1989, die Tage darauf fand die große „Besetzung“ der breiten Mauer am Brandenburger Tor statt, und dann das Herausheben des ersten Mauerstückes am Potsdamer Platz in den frühen Morgenstunden des 12. Novembers. Unser damaliger Bundespräsident traf erstmalig mit einem Offizier der Volkspolizei zusammen, der den ordnungsgemäßen Ablauf der Aktion bestätigte und seine Aussage mit dem historisch gewordenen Halbsatz beendete: „Keine besonderen Vorkommnisse, Herr Präsident“.

Ich habe diese bewegten und bewegenden Tage alle mit dem Zeichenstift verfolgt.

Am Abend des 9. November war ich zur Geburtstagsparty von Ulrich Schamoni eingeladen, als Klaus Landowsky reingestürmt kam und verkündete, er käme gerade vom Brandenburger Tor, die Mauer sei offen. Ein aufgeregtes Raunen ging durch die Menge der Gäste, der Saal leerte sich sofort, und alles strömte in Richtung Mauer. Ich hatte einen Smoking an und darüber einen viel zu leichten Trenchcoat. Es war bitterkalt in jener Nacht, aber in dem Trenchcoat steckten gottseidank mein kleiner Skizzenblock und ein Bleistift, so daß ich vor Ort die ersten Zeichnungen machen konnte.

„Stasi-Schwein, hau ab!“ riefen mir irritierte Bürger zu, die dachten, daß jemand, der mit Block und Bleistift hantiert und sich dazu noch mit einem Smoking tarnt, die Autonummern der Ankommenden notierte, um sie ordnungsgemäß der Staatssicherheitsbehörde melden zu können. Wenn ich dann meinen Zeichenblock vorzeigte, erntete ich sehr schnell ein verständnisvolles Lächeln.

Öffnung der Berliner Mauer – gemalt von Matthias Koeppel 1998

In den folgenden Tagen trieb ich mich zwischen Invalidenstraße, Brandenburger Tor und Potsdamer Platz herum und skizzierte die vielen kleinen Szenen, in denen auch hin und wieder Politiker auftauchten, die Interviews gaben oder wie Walter Momper zum Beispiel, erstmal den Verkehr mit dem Megaphon regelten. Dieses umfangreiche Skizzenmaterial war Ausgangsbasis für dieses Triptychon.

Linker Teil: Die Öffnung des Grenzübergangs Invalidenstraße
in der Nacht des 9. Novembers. In der rechten Ecke der Regierende
Bürgermeister Momper, der mit einem Megaphon den Verkehr regelt.

Rechter Teil: Das Herausheben des ersten Mauersegments am
Potsdamer Platz in den frühen Morgenstunden des 12. Novembers
in Anwesenheit des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker,
der einen Offizier der DDR-Grenztruppen begrüßt.

Wo denn nun dieses Gemälde stilistisch einzuordnen sei? Diese Frage können natürlich nur Kunsthistoriker beantworten. Die gläubigen Vertreter dieser Zunft werden dabei keinen leichten Stand haben. Unerschütterlich steht da die Behauptung im Wege, die moderne Malerei habe sich als Gegenbewegung zum Historienbild entwickelt, das sich im 19. Jahrhundert besonderer Wertschätzung erfreute. Wo diese Entwicklung mit ihren Höhenflügen und Abgründen hingeführt hat, können wir beispielsweise im Berliner „Hamburger Bahnhof“ betrachten. Dort kann man auch über das Bibelwort sinnieren, das Jesus zum ungläubigen Thomas sprach: „Selig sind die, die nicht sehen und dennoch glauben“.

Hier ist nun plötzlich wieder ein Historienbild, und es gibt viel darauf zu sehen. Ob Sie es so viele Jahre nach der Maueröffnung noch glauben wollen, überlasse ich Ihnen und wünsche viel Vergnügen bei der Betrachtung.

Prof. Matthias Koeppel

geboren 1937 in Hamburg, realistischer Maler in Berlin, wurde mit seinen Bildern zum Chronisten deutscher Geschichte.

Prof. Koeppel stellte unserer Zeitschrift diesen Beitrag 10 Jahre nach dem Fall der Mauer zur Veröffentlichung zur Verfügung.

Das Triptychon „Die Öffnung der Berliner Mauer“ befindet sich im Besitz vom Abgeordnetenhaus von Berlin und ist im Preußischen Landtag im Rahmen von Führungen durch das Haus zu besichtigen.

Hier finden Sie eine Übersicht verschiedener Werke von Prof. Matthias Koeppel auf seiner Internetseite: http://www.matthiaskoeppel.de/aktuelles.htm

Von der Banalität des Bösen: der Multikulturalismus und die normativierende Kraft des Faktischen.

von Klaus Kunze

Von der Banalität des Bösen: der Multikulturalismus und die normativierende Kraft des Faktischen.

Benötigen wir eine neue Metaphysik?

Die Reste unserer Kultur und unseres Volkes fristen im multikulturellen Experiment ein Nischendasein. Machen wir uns keine Illusionen:

Extremer als die Jugend anderer Länder strebt die deutsche nach einer kunterbunten Weltbürgerschaft, die ungenau allerlei ist, nämlich umwelt- und klimabewußt, genderneutral, antiimperialistisch, antikolonialistisch, antirassistisch und antisexistisch, nur eben bitte nicht deutsch – mit dem Nebeneffekt, daß ebensowenig von Vaterland wie von Muttersprache die Rede sein darf und folgerichtig die Kenntnis der eigenen Sprache und des kulturellen Erbes nicht nur als unnötig, sondern bereits als verdächtig gelten.

Heino Bosselmann, Kollektive Psychologie, 26.10.2021

Eine kulturelle Kluft gähnt zwischen alten Kulturträgern und einem Teil der Jugend. Die einen sind oft noch am Lateinischen oder Griechischen und alten Philosophen geschult, sie wissen um unsere Geschichte, ihre Glanzpunkte und ihre tragischen Tiefen. In solch einem tiefen Loch sehen sie soeben die Zukunft unseres Volkes verschwinden. Mit in den Orkus des Vergessens wandern das Dichten und Denken, unsere Rechtschreibung und Grammatik, die Wertschätzung persönlicher Freiheit und das ehrende Andenken all derer, die einst für unser Volk Leib und Leben geopfert haben.

Tatsächlich wäre schwer zu verstehen, warum ein Mustafa Öztürk oder eine Sawsan Chebli auf einmal irgendeine Art von Liebe zum deutschen Volk entwickeln sollte. Viele würden bereits lügen, wenn sie nur den Mund aufmachten und von Muttersprache und Vaterland sprächen. Das tun sie auch nicht, klugerweise.

Das deutsche Volk ist durch seine pure Existenz ein Hindernis für jeden, der sein Gedeihen dem Umstand verdankt, daß unser Staat jahrzehntelang Ausländer importiert hat wie andere Industrieländer ihre materiellen Rohstoffe. Der alleinige Primat ökonomischer Faktoren wie dem Bruttosozialprodukt oder dem angeblichen Arbeitskräftemangel hat so viele Ausländer nach Deutschland gespült, daß auf den Bänken vieler Schulen keine Deutschen mehr sitzen.

„Jetzt sind sie nun mal da“, würde Angela Merkel dazu sagen. Jedenfalls haben sie sich häuslich niedergelassen. Wie alle anderen Menschen auch machen sie sich Ideologien zu eigen, nach deren Prämissen sie persönlich vorteilhaft wegzukommen hoffen. Liebe zu Deutschland, Hochachtung vor Goethe und Schiller oder Dankbarkeit für die Gefallenen des Befreiungskieges 1813-15 gehören eher nicht dazu. Auch für die Gefahren totalitärer Machtausübung scheint die Masse der Ausländer in Deutschland nicht besonders sensibel zu sein. Wo sie unserer Verfassungsordnung nicht gleichgültig gegenüberstehen, liebäugeln viele mit religiösen Verheißungen oder den Verlockungen autokratischer Macht. Die türkischen Heerscharen auf den Kölner Rheinwiesen, die Erdogan zugejubelt hatten, werden wohl kaum jemals die freiheitliche demokratische Grundordnung verteidigen.

Der marginalisierte Otto Normalverbraucher

In unseren ländlichen Gebieten gibt es noch deutsche Mehrheiten. Hier überwiegen noch traditionelle Lebenseinstellungen. Städtische und ländliche Milieus stehen sich oft fremd gegenüber. Ein auf dem Dorf lebender deutscher Handwerker und eine ausländische Gendersternchenliebhaberin aus der nahen Universitätsstadt haben sich nichts zu sagen. Ein Erstkontakt mit einer fremden Spezies nahe Alpha Centauri hätte größere Chancen für ein gegenseitiges Verstehen. In den Medien und der sogenannten Öffentlichkeit geben aber die städtischen Milieus den Ton an.

Die verbliebenen Restbestände des früheren Otto Normalverbrauchers werden marginalisiert. Die Normalverbraucher versuchen vergeblich, sich auf dem Weg demokratischer Abstimmungen ihr normales Deutschland zurückzuholen. Für eine strategische Mehrheit gibt es zu wenige, die sich bewußt als Normale verstehen. Die normale Restbevölkerung weiß aus dem Fernsehen, daß alle Leute rechts von der Union Nazis sind, was sie denn auch nicht für normal halten würden und darum nicht wählen können.

Damit ist die Kausalkette fast perfekt: Linke Utopisten haben vor vierzig Jahren die multikulturelle Gesellschaft gefordert und wurden ausgelacht. Über die Jahrzehnte stieg der Ausländeranteil immer weiter an, und zugleich zerfiel die frühere deutsche Mehrheitsgesellschaft. Sie segmentierte sich entlang ideologischer, religiöser und soziologischer Bruchlinien. Sie löste sich in einander nicht mehr verstehende Szenen auf, von denen jede ihre eigenen Echokammern bildete, unfähig und auch unwillig, Außenstehenden überhaupt noch zuzuhören. Wer mit wem noch öffentlich reden darf, wurde zum Politikum.

Der Multikulturalismus wurde in Deutschland nicht durch Abstimmungen oder Parlamentsbeschlüsse herbeigeführt, sondern durch die normativierende Kraft des Faktischen. Man kann eine multikulturelle Gesellschaft nicht nur auf demokratischem Wege herbeiführen, sondern auch, indem man für Millionen fremder Menschen schlicht alle Türen öffnet. Das Faktische wird über kurz oder lang ihr Bewußtsein bestimmen, und dieses wird keine deutsche Identität beinhalten.

Chaos: das ganz banale Böse

Aus konservativer Sicht haben unsere politisch Verantwortlichen der letzten Jahrzehnte nicht nur fremden Völkerschaften, sondern der gänzlichen Zersetzung alles dessen Raum gegeben, was unser Land einst im Innersten zusammenhielt. Diese Zersetzung empfindet er als das heute alltägliche ganz banale Böse. Banal ist es, weil es kein eigenes ideales Ziel beinhaltet oder zu erreichen verspricht. Als Böse empfindet er es, weil es nur zerstört, aber nichts aufbaut, und anstelle der gewohnten Ordnung eine chaotische Nichtordnung setzt.

Triumph des Todes von Pieter Bruegel dem Jüngeren, 1629

Nachdem alles so ist, wie es ist, kann man je nach Lebensalter grollend in seinem Rollstuhl im Pflegeheim auf und ab fahren. Man kann sich auch zürnend eine radikalen Jugendbewegung anschließen und warten, bis die Polizei kommt. Das wird sie unweigerlich, denn Jugend ist oft unbedenklich und maßlos in Wort und Tat. Das noch zu sagen und zu schreiben Erlaubte zerbröselt uns wie Sandstein.

Innerhalb der Verhältnisse, die sind, wie sie sind, kann man allerdings auch versuchen, aus der Not eine Tugend zu machen. Wenn im neuen multikulturellen Utopia für jede abgedrehte Szene und jeden fremden Klüngel ein Zimmer frei ist, dürfen wir sagen: Wir sind auch da. Wir sind sogar schon länger hier. Und wo wir sind, beanspruchen wir für uns denselben Schutz unserer selbstgewählten Lebensweise, den Fremde in unserem Land für sich beanspruchen.

Sind wir in unserer Heimat nicht Indigene? Seit unvordenklicher Zeit wohnen unsere Ahnen hier. Zuwanderer gab es seit der Eiszeit des öfteren. Das waren aber verwandte Zuwanderer. In nichts Wichtigem unterschieden sich genetisch und kulturell unsere Urahnen, die Megalithgräber errichteten und die Himmelsscheibe von Nebra schufen, von ihren Verwandten aus der östlichen Steppe, die indogermanische Sprachen über Europa verbreiteten. Wir sind die Nachkommen von Ureinwohnern. Jedem indigenen Stamm halb nackter Wilder winden Multikulturalisten Lorbeerkränze und stellen ihn unter Schutz.

Das Normale – wo gibt es das noch?

Den können wir erst recht gebrauchen. Reservate für Deutsche in unseren eigenen Städten! Deutschenquoten in Grundschulen!

Sicherlich kann man den Multikulturalismus auf diese Weise persiflieren. Der wahre Kern besteht aber darin, daß wir tatsächlich Keimzellen benötigen, in denen wir bleiben können, wer wir sind und wie wir sind. Heino Bosselmann rät: „Konservative Alternative: Lieber im Kleinen das Normale versuchen!“ (1) Wer es noch nicht einmal in seinem eigenen Umkreis vermag, normal zu leben und den Seinen ein Leben in Normalität zu ermöglichen, wird uns von der Rettung unseres Volkes und Vaterlandes nichts Nützliches zu erzählen haben.

Dabei geht es nicht nur um die nackte Fortexistenz eines alternden und schrumpfenden Volkes vor dem Hintergrund steigender Anteile Fremder. Es geht auch um unseren kulturellen Fortbestand und die Sicherung unserer freien Lebensweise. Diese hat sich als freie demokratische Grundordnung bewährt und verdient umso mehr Verteidigung, als die realistischen Alternativen zu ihr sozialistische, anarchistische, islamistische, jedenfalls totalitäre sind. Sie ist der politische Ausdruck unserer historischen Erfahrungen.

Unsere historischen Erfahrungen – der Kampf des deutschen Volkes für Freiheit und Selbstbestimmung: Arthur Kampf: Gold gab ich für Eisen

Ohne deutsches Volk mit gerade diesen historischen Erfahrungen und seiner jahrhundertelangen Freiheitstradition wird es auch unsere freiheitliche Ordnung nicht mehr geben. Der Haß auf das deutsche Volkstum geht Hand in Hand mit der versteckten Uminterpretation oder offenen Anfeindung unserer Verfassung. Als Meister des Bandwurmsatzes formulierte David Engels:

Betrachtet man nämlich in der Tat den Selbsthaß, mit dem zahlreiche einflußreiche Politiker nicht nur die Geschichte ihres eigenen Landes auf eine bloße Abfolge von Verbrechen reduzieren, sondern ganz offen auch die Abschaffung des eigenen Volkes durch Aufgehen in einem multikulturellen Massenmenschentum begrüßen, ja sogar bewußt einleiten, und zu diesem Zwecke gar unter fadenscheinigen Vorwänden skrupellos sämtliche bildungstechnischen, gesellschaftlichen und migrationspolitischen Weichen stellen, kann man nicht anders, als tiefe Verwunderung zu empfinden – Verwunderung nicht nur angesichts der inneren Verwahrlosung jener Menschen, sondern auch angesichts des offensichtlichen Versagens einer gesamten Gesellschaft, in ihren Bürgern ein Mindestmaß an Verständnis und Liebe für die großartigen geistigen, künstlerischen und politischen Schöpfungen vergangener Generationen zu wecken.

Prof. David Engels, Leben mit dem Niedergang, Renovatio-Analysen 1/2020 = Die Neue Ordnung, Nr. 2/2020, S. 102-111 (2).

Engels verwirft einen Gärtner-Konservatismus als unbrauchbar, der meint, „durch einige wenige ausgewählte politische Handlungen zum status quo ante zurückkehren zu können, der in der Vorstellung der Betroffenen meist eine oder doch nur wenige Generationen in der Vergangenheit liegt.“ Wir werden die Biedermeierzeit der alten Bundesrepublik niemals zurückbekommen.

Das Rad der Geschichte dreht sich vorwärts, nicht rückwärts. In den Jahrzehnten nach dem 1. Weltkrieg starb die kaisertreue Generation aus. Am Ende gab es keinen Kaiser, aber auch keine Monarchisten mehr. In den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg ereignete sich unter anderem ideologischen Vorzeichen das Gleiche. Politische Streitfragen werden von der Geschichte niemals entschieden oder beantwortet. Sie werden ganz einfach irgendwann nicht mehr gestellt, wenn die alten Fragesteller nicht mehr leben. Auch uns kann das so gehen.

Es wird so gehen, wenn sich unsere Nachkommen nicht unsere Fragen und Sorgen zu eigen machen und selbst stellen: Was macht mich als Deutscher aus? Messen wir uns als Deutsche einen Eigenwert bei? Lohnt es sich, für ihn einzutreten? Worin besteht der Kern unserer deutschen Identität?

Die Antworten auf diese Fragen sind keinesfalls Selbstläufer. Fremdentümelei und Weltbürgertum haben in Deutschland eine stärkere Tradition, als es die nationale Geschichtsschreibung seit dem 19. Jahrhundert wahrhaben wollte. Es genügt nicht mehr, der Auflösung unseres Volkes und seiner Ersetzung durch andere Menschen den biedermeierlichen Geist der alten Bundesrepublik entgegenzusetzen. Dieser hat uns nämlich genau dahin geführt, wo wir heute stehen.

Extrapolieren wir aus dem Erfahrungsschatz der Vergangenheit, ergibt sich der Eindruck, daß nicht nur die meisten sogenannten Altparteien, welche zunehmend mit dem gegenwärtige Scheitern des modernen politischen Systems assoziiert werden, zum Untergang verurteilt sind, sondern auch, daß die meisten der sogenannten populistischen Parteien, welche oft wenig mehr als einen müden Aufguß jener Wahlprogramme bieten, die vor Einzug der Ideologie der politischen Korrektheit vor etwa zwei Jahrzehnten charakteristisch für die meisten im mittleren rechten Spektrum verorteten Parteien waren und sich durch eine Mischung zwischen Liberalismus und gemäßigtem Nationalismus kennzeichnen, ebenfalls keinerlei Aussicht haben, in dieser Form die Kämpfe der nächsten Jahrzehnte zu überleben.

David Engels

Innerhalb der Katarakte der industriellen Massengesellschaft befindet sich das deutsche Volk geradewegs auf halber Strecke. Schwer leck geschlagen dümpelt unser Schiff im Kausalstrom globaler Einflüsse. Es gibt kein Zurück. Die besten Seeleute sind bereits tot. In wenigen Jahrzehnten werden unsere Nachkommen restlos in der Minderheit sein. Dann wird sich nicht mehr die Frage stellen, ob in Köln der Muezzin rufen darf, sondern ob die Glocken läuten dürfen.

Christliches Abendland oder des Reiches Herrlichkeit?

Wenn wir retten wollen, was noch Substanz hat und den Keim für eine deutsche Zukunft unserer Nachkommen bilden kann, müssen wir ihnen das geistige Rüstzeug dafür an die Hand geben und ihnen unsere Normalität vorleben. Was kaputt ist, ist kaputt. Wenn es einen Weg gibt, dann nur vorwärts. Engels sieht Metaphysik auf diesem Weg als notwendiges Rüstzeug an:

Als letzter Punkt ist nun das zu besprechen, was gemeinhin „Revolutionärer Konservatismus“ genannt wird und wohinter der Versuch steckt, die reale oder doch zumindest angenommene Grundstimmung einer idealisierten archaischen Vergangenheit mit den Mitteln modernster Technik neu erstehen zu lassen, wobei sowohl ein erheblich weiter reichender Rückgriff in das kollektive Unterbewußtsein vonnöten ist als auch eine weitaus größere Aufgeschlossenheit gegenüber den allgemeinen Tendenzen historischer Dynamik: Der Gang der Zeit soll hier nicht etwa zurückgedreht oder aufgehalten werden, sondern im Gegenteil unter Beschleunigung des Tempos in eine utopische, zyklisch an die Grundanfänge der jeweiligen Gesellschaft anschließende Zukunft gelenkt werden.

David Engels

Dem Katholiken David Engels schwebt dabei der Rückgriff auf das christliche Abendland vor. Welche Idee auch immer sich als zündend erweist, mit welcher Metaphysik auch immer die Herzen unserer Jugend entflammt werden können, bleibt sich gleich. Alle Metaphysik und jede Religion beruht auf inneren Vorstellungen, die in der realen Welt keine Entsprechungen haben. Sie muß nur wirken, keine letzte „Wahrheit” widerspiegeln. Mythen enthalten viele metaphyische Elemente und sollten bewahrt werden, weil sie zur kollektiven Existenz gehören.

Mythos: idealisiertes Standbild Kaiser Barbarossas vor der Kaiserpfalz Goslar

Die Metaphysik eines Kaisers Barbarossa, der einst des Reiches Herrlichkeit wiedererrichten wird, hatte einst die Herzen ganzer Generationen entflammt. Vorher war es die Idee eines Sacrum Imperium, eines christlichen Abendlandes, die David Engels bevorzugt. Später erwuchs der Gemeinschaftsgeist aus völkischen Idealen. Alles das waren begeisternde, psychologisch funktionierende Mythen. Sie wurden von wehmütigen Alten an Kinder weitergegeben, die mit großen, glänzenden Augen zuhörten.

Das normale Leben besteht nicht darin, abends vor der Flimmerkiste zu sitzen und sich Multikultipropaganda aus Soft-Operas anzutun. Es webt im Familienkreis und kann nur hier als wertvoll erfahren werden. Der Teufelskreis aus Aufhetzung unserer Jugend gegen ihre Vorfahren, Generationen-Entfremdung, Selbsthaß und Aufgabe des eigenen Selbst kann nur noch innerhalb funktionierender Familienverbände durchbrochen werden. Verantwortungsbewußtsein für unsere nachfolgenden Generationen kann kein Spahn und kann keine Merkel aufbringen, weil sie keine Kinder haben. Und Liebe zur althergebrachten eigenen Identität kann nur aufbringen, wer als Kind im Familienkreis geborgen war und den Alten lauschen durfte.


(1) Heino Bosselmann, Kollektive Psychologie, 26.10.2021, https://sezession.de/64875/kollektive-psychologie.

(2) Prof. David Engels, Leben mit dem Niedergang, Renovatio-Analysen 1/2020 = Die Neue Ordnung, Nr. 2/2020, S. 102-111.

Dieser Artikel erschien auch auf der stets sehr informativen Seite von Klaus Kunze:

Von der Banalität des Bösen zu des Reiches Herrlichkeit

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Klaus Kunze



Klaus Kunze, seit 1984 selbständiger Rechtsanwalt in Uslar, von 1970-71 Herausgeber eines Science-Fiction-Fanmagazins, von 1977 bis 1979 Korrespondent der Zeitung student in Köln, seit 1978 diverse Beiträge in genealogischen und heimatkundlichen Fachzeitschriften, seit 1989 Beiträge für politische Zeitschriften wie u. a. die Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT

Autor der Bücher:

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Und das neue Werk von Klaus Kunze: Die solidarische Nation. Wie Soziales und Nationales ineinandergreifen. Gebundene Ausgabe, 206 Seiten, Preis: 19,80 Euro ist hier erhältlich: https://lindenbaum-verlag.de/produkt/die-solidarische-nation/

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Klaus Kunze: Identität oder Egalität. Vom Menschenrecht auf Ungleichheit. Hier erhältlich!

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Zeitschriftenkritik: CATO – „Deutschland hatte die Wahl“

von Werner Olles

Zeitschriftenkritik: CATO – „Deutschland hatte die Wahl“

„Deutschland hatte die Wahl“ lautet das Titelthema der aktuellen Ausgabe (Nr. 6, Oktober/November 2021) von CATO, dem „Magazin für Neue Sachlichkeit“. Tatsächlich fällt es vielen Lesern vermutlich schwer, angesichts der Wahlergebnisse immer „sachlich“ zu bleiben, doch erkennt Thorsten Hinz in seinem Beitrag „Ein Zug ins Blaue“ richtig, daß die schlechte Lage der Nation nicht allein Merkel zuzuschreiben ist: „Die seit sechzehn Jahren amtierende Kanzlerin (hat) nur Tendenzen aufgegriffen und exekutiert, die in der Geschichte der Bundesrepublik seit je angelegt waren. Kräfte, die den weiteren Niedergang aufhalten könnten, sind auch nach der Bundestagswahl nicht zu erkennen.“ Das deckt sich wiederum mit der Einschätzung des CATO-Chefredakteurs Andreas Lombard: „ …möglichst keiner sollte merken, daß es um echte Richtungsentscheidungen schon gar nicht mehr ging. Jene Oppositionspartei, die diesen Namen verdient, (ob man sie mag oder nicht), wurde weit im Vorfeld aus dem „Verfassungsbogen“ und damit von jeglicher Aussicht auf Regierungsbeteiligung ausgeschlossen – ein Sachverhalt, der sonst als Kennzeichen demokratiefeindlicher Staaten gilt. Wer hierzulande wirklich oppositionelle Positionen vertritt, egal bei welchem Thema, wird umgehend zum Paria degradiert.“

Bruno Bandulet befaßt sich eingehend mit dem „monumentalen Staatsversagen“ und der Diskursverweigerung in Sachen „Klimaneutralität“, dem Euro, der Enteignung der Sparer, der europäischen Schuldenunion mit Deutschland als Zahlmeister und der Außen- und Sicherheitspolitik. Themen ,die im Wahlkampf nicht vorkamen, stattdessen gab es einen „Hang zur Gleichschaltung“, eine politische Justiz in Karlsruhe, die unbewiesene Behauptungen von Lobbyorganisationen wie Greenpeace und der umstrittenen und berüchtigten sogenannten „Deutschen Umwelthilfe“ und angeblich klimageschädigten Aktivisten aus Nepal und Bangladesch kurzerhand in den Grundgesetzartikel 20a integrierte, womit der Staat nun zum „Klimaschutz“ und zur „Klimaneutralität“ verpflichtet ist. Die Öffentlichkeit wurde von dem Verfahren ebenso ausgeschlossen wie unabhängige Sachverständige. Die geschätzten Kosten für das aus dem Wahlprogramm abgeschriebene „Projekt“ betragen locker 2.000 Milliarden Euro zum Zweck einer unerreichbaren „Klimaneutralität“. Ein größerer „Ausfluß von Weltfremdheit“ ist in der Tat nur schwer vorstellbar, angesichts des allgemeinen Staatsversagens, der unausrottbaren Torheit und dem unübersehbaren Qualitätsschwund der herrschenden Klasse auch nicht überraschend.

Über die perfiden Schikanen und erpresserischen Methoden der EU-Kommission gegen Polen zugunsten der familienfeindlichen LGTBIQ-Idologie und einem ideologisch manipulierten Verständnis sogenannter „Menschenrechte“ berichtet David Engels in seinem „Brief aus Warschau“. Er hat die berechtigte Sorge, daß es Brüssel gelingen könnte, das vom Covid-Lockdown geschwächte Polen zum Sturz seiner Regierung zu bewegen und Donald Tusk erneut als „Statthalter der linken Eliten“ einzusetzen. Thomas Fasbender erklärt in „Der Mann des Staates“ den Aufstieg und Erfolg Putins und dessen verständliche Abwendung vom Westen, da dieser nichts unterlasse Rußland zu demütigen und zu provozieren.

Hervorzuheben ist Andreas Lombards Essay „Herr Sibelius ist Mutter geworden“ über die fatalen Änderungen des Adoptions- und Familienrechts zugunsten kinderloser Erwachsener und primär der Kinderwünsche Homosexueller. In einer selten gewordenen Dichtigkeit schildert er schlüssig die „bedenkliche Verwirrung“, die ideologisch unterstützt nicht nur das Naturrecht außer Kraft setzt, sondern im Rahmen einer unsinnigen Gleichstellungspolitik Unvereinbares, nämlich Homosexualität und Elternschaft, mit allen Mitteln realisieren will. Zwar handele es sich numerisch um ein belangloses Anliegen, doch sei die Adoption im Falle von Homosexuellen ein „verblüffend gut gewählter Angriffspunkt.“ Um das Kindeswohl gehe es bei der „medial befeuerten Verwirklichung abstrakter Gleichheitsideen“ schon lange nicht mehr. Lombard bricht jedoch nicht nur eine Lanze für die Konversionstherapie, er spricht auch offen von der „Umwandlung des Menschen in eine Handelsware, die man planen und manipulieren kann“ und einem „Türöffner“, um die gravierenden ethischen Bedenken zu umgehen, die der Entwicklung eines milliardenschweren biotechnischen Marktes im Wege stehen.“ Die Linke agiere hier einmal mehr de facto als Handlanger derer, die einen der letzten kostenlosen Lebensvollzüge des Menschen in eine kostenpflichtige Dienstleistung verwandelten.

Hier findet man das komplette Inhaltsverzeichnis.

Kontakt: CATO-Verlag. Fasanenstr. 4, 10623 Berlin. Einzelheft 14,50 Euro, Jahresabo 76 Euro. http://www.cato-magazin.de

Die Afrikaanse Nation als Superethnos? – Konzept für einen Ausweg aus der Sackgasse

Buchbesprechung von Eberhard Hofmann – zuerst erschienen in der Allgemeinen Zeitung in Windhoek, Namibia/Südwestafrika

Die Afrikaanse Nation als Superethnos? – Konzept für einen Ausweg aus der Sackgasse

Gibt es einen Schulterschluss afrikaanser Gruppen im südlichen Afrika? Wie kommt ein deutscher Völkerkundler und Kulturhistoriker auf die Idee, ein leidenschaftliches, auch hintergründiges Plädoyer für die „Autonomie der afrikaansen Nation“ auszurufen? Umgekehrt scheint es undenkbar, dass ein solches Werk aus einer britischen Feder hätte stammen können. Der Buchumschlag mit dem bekannten Gemälde von Davidson Bell, Jan van Riebeecks Ankunft am Kap, im Hintergrund Devil´s Peak, als Schilderung der ersten Begegnung mit den indigenen Khoi-Khoi könnte auf den ersten Blick irreführend sein, dass es sich um eine nostalgisch-nationalistische Streitschrift für die Buren handelt.

Ist Völkerkunde, Social Anthropology, wie im vorigen Jahrhundert an südafrikanischen Universitäten gelehrt und dosiert, noch ein Bildungsfach, eine aktuelle Disziplin? Es ist still geworden um das Fach, es sei denn frühere Autoren des Fachbereichs werden im Lichte gegenwärtiger Kritik vorgeführt.

Überwölbende Gruppierung

Was auf den über 350 Seiten der Schrift „Autonomie der afrikaansen Nation“ von Christian Böttger folgt, ist einmal eine intensive Auseinandersetzung mit dem Begriff des Superethnos, der bereits als Untertitel auf dem Buchdeckel erscheint und vom russischen Ethnologen und Historiker Lew Gumiljow (1912 – 1992) entlehnt ist. Aufbauend auf Gumiljow schnürt Böttger aus allen afrikaans-sprechenden Gruppen eine afrikanische Nation mit authochtonem, mit bodenständigem Existenzrecht. Superethnos wird hier als eine überwölbende sprachliche Gruppierung bestehend aus verschiedenen Volksgruppen verstanden, die sich dazu eignen, eine Nation zu bilden. Die Gruppierung hat Stufen der Herkunft und Entstehung durchlaufen, was mit dem Begriff Ethnogenese, umschrieben wird,ein Terminus, der vom deutschen Historiker Reinhard Wenskus in Umlauf gebracht wurde.

Der Leser ist gefordert, sich mit mehreren ethnologischen Begriffen der Fachsprache vertraut zu machen. In diesem anthropologischen Rahmen schildert Böttger die Entstehung aller Volksgruppen des südlichen Afrika, die zur holländisch-afrikaansen Herkunft und Kultur gehören, auch wenn sie mit einem Bein in einer anderen Sprache verwurzelt sind und in verschiedenen Hautfarben erscheinen.

Zur sachlichen Schilderung der Herkunft und der Entstehungsgeschichte (Ethnogenese) dieser Gruppen führt Böttger ebenso in die Geographie, Landschaften der Regionen und Kurzgeschichte ein, die diese Gruppen geprägt, bzw. zur Migration, zum Trek bewogen haben. Die Existenz dieser Gruppen als „afrikaanse Nation“ sieht Böttger im Großen und Ganzen vom Superethnos der Bantu als getrennt, die aus dem Nordosten von Südafrika in Richtung Westkap wandern und die Einheimischen zahlenmäßig zu überfluten drohen.

Jan van Riebeeck land in Tafelbaai in April 1652. Gemälde von Charles Davidson Bell (1813-1882)

So fasst der Autor die Khoi-Khoi, die Afrikaner-Buren, Bruinmense vom Kap (Cape Coloureds), Baster und Griqua, Nama und Oorlam, die Korana sowie – an der Peripherie – auch die Kapmalaien in einem überethnischen System zusammen. Um den Begriff zu verfeinern zitiert Böttger noch einen anderen Autoren, Otto Bauer, der die Nation als „die Gesamtheit der durch Schicksalsgemeinschaft zu einer Charaktergemeinschaft verknüpften Menschen“ definiert. Es ist die Sprache, die Kultur vermittelt, nicht die Hautfarbe. Böttger distanziert sich von der Apartheidspolitik: „Den Buren erschien die Apartheid in einer Art Selbstbetrug als konsequenteste Form des Selbstbestimmungsrechtes der Völker. Sie haben in ihrer Geschichte die Schwarzen aber weder ausgerottet noch vor sich hergetrieben wie die Weißen in Nordamerika die Indianer.“

Trennung an der 400-mm-Niederschlagsgrenze

Für die autonome afrikaanse Nation wie oben umrissen, sieht Böttger in Anlehnung an andere Analytiker einen geschlossenen geographischen Raum als Staatsgrund, der sich westlich der (durchschnittlich) 400-Millimeter-Niederschlagsgrenze Südafrikas in zunehmend aridere Gebiete des Westkaps hinein erstreckt, von der Westgrenze des Oranje-Freistaats bis zum Süd-Atlantik und damit auch das Kapsche Boesmanland und Namaqualand einschließt. Im System der ANC-Regierung sieht Böttger „die Idiotie des zentralistischen Ansatzes“, wo Hautfarbe im Neo-Rassismus erneut – wie vormals in der Apartheid – ökonomisiche Relevanz verleiht. Die Autonomie der so definierten afrikaansen Nation könnte die Rettung vor der „Diktatur der Inkompetenz“ sein. Die angesprochene Inkompetenz samt Staat als Beute der regierenden Partei hat just während Böttgers Niederschrift des vorliegenden Buches im korrupten Zuma-Regime, auf das er nicht direkt Bezug nimmt, ihren Höhepunkt gefunden.

Böttger kennt sich in allen afrikaansen Kulturorganisationen und den Interessen-Körperschaften der Bruinmense aus und behandelt die Zielvorgaben – ermüdend für den Leser – detailliert bis in ihre Satzungen hinein. Bei der Niederschrift seines Bandes war vermutlich der aktuelle afrikaanse Band zur ähnlichen ethnisch-kulturellen Existenzfrage Die Pad na selfbestuur noch nicht ershienen. Darin ist exakt und in größerem Detail das Dilemma der Afrikaans-Sprachigen in Südafrika beschrieben, mit Konzepten, wie die Südafrikaner im Rahmen der Staatsverfassung sich vor der „Diktatur der Inkompetenz“ Auswege verschaffen können. Behandelt werden u.A. der Neo-Rassismus, der Mangel an Schutz für die Zivilbevölkerung, darunter Farmer-Morde, der Staatsverfall … : Die Pad na selfbestuur – Anderkant die mislukking van staatsbestuur deur Flip Buys. Kraal Uitgewers, Centurion 2019. ISBN: 978-1-990915-00-0. Eine Publikation der Solidariteit Beweging

Aufteilung als Option

Theoretisch sieht Böttger in einer Aufteilung Südafrikas für die „afrikaanse Nation“, keine politische Schwierigkeit, da es zeitgenössiche Beispiele gibt, wo neue Länder aus größeren Territorien heraus- und abgetrennt wurden: Tschechien und Slowakei, eine Reihe von Balkan-Staaten aus dem früheren Jugoslawien und der Süd-Sudan. Der Autor erwähnt die kleine, völkische afrikaanse Orania-Enklave als „Rückzugsgebiet einer Gesinnungsgemeinschaft“, die er aber nicht als Antwort auf die Herausforderung des ANC-Einheitsstaates sieht, den er als „hinterhältig und zynisch“ betitelt.

Auf den theoretischen Strecken von Böttgers Buch kann sich der Leser von außerhalb der Völkerkunde die Zähne ausbeißen, aber viele brisante und anregende Passagen helfen weiter, mit Parallelen, die – nich nur historisch – Namibia ebenfalls berühren. Ansprechend ist ferner, dass der Autor seine Herangehensweise kritisch definiert und vom so genannten Konstruktivismus abgrenzt, der in den Geisteswissenschaften wiederum mit der postfaktischen Schule verwandt ist, die vielfach wähnt, das dogmatische Deutungsmonopol zu besitzen, nachdem sie sich von grundleglender Basis abgehoben und in die Schwebe begeben hat. Die ausgesprochene Relevanz des Werkes für die afrikaansen Gruppen macht es unerlässlich, dass die Schrift auch in der autochthonen Sprache Afrikaans erscheinen sollte.

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Der Autor des Buches „Autonomie für die Afrikaanse Nation“, Dr. Christian Böttger, geb. 1954, studierte von 1983 – 1988 Ethnographie, deutsche Geschichte und Volkskunde an der Humboldt-Universität, Berlin. Danach wurde er Mitarbeiter im Bereich Kulturgeschichte/Volkskunde am Zentralinstitut für Geschichte/Akademie der Wissenschaften der DDR. 1993 promovierte er zum doctor philosophiae.

Wir danken der Allgemeinen Zeitung in Windhoek, Namibia/Südwestafrika für die Genehmigung, diese Besprechung, die in der AZ am 7. Oktober 2021 erschienen ist, auf auf unserer Seite zu veröffentlichen.

Von Dr. Christian Böttger ist auch das grundlegende Werk „Ethnos. Der Nebel um den Volksbegriff“ im Lindenbaum Verlag erschienen. Sehr zu empfehlen!

Ethnos. Der Nebel um den Volksbegriff von Christian Böttger

Vom Reichswehrleutnant zum Kommunisten – Interview mit Richard Scheringer (1983)

Vom Reichswehrleutnant zum Kommunisten – Interview mit Richard Scheringer (1983)

Anfang Januar 1983 führten sechs Mitarbeiter der Zeitschrift wir selbst ein Gespräch mit Richard Scheringer auf dem Dürrnhof in Kösching bei Ingolstadt. Scheringers Weg vom kämpferischen Antiseparatisten zur Zeit der französischen Besatzung des Rheinlandes nach dem Ersten Weltkrieg über eine nationalrevolutionäre Phase Ende der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts bis zum Mitglied der DKP und des DKP-Parteivorstandes ist nachfolgend dokumentiert. Obwohl unsere Redaktion nie einen Zweifel an unserer antikommunistischen Grundhaltung hat aufkommen lassen und wir den Sowjetimperialismus als Unterdrückungssystem in zahlreichen Artikeln beschrieben hatten, hat uns doch der Werdegang des sozialistischen Patrioten Scheringer interessiert, der als radikaler Nationalist seine Laufbahn begann, vom Gedanken der nationalen und sozialen Befreiung Deutschlands lebenslang getragen wurde und dies auch als Sozialrevolutionär und Kommunist nie verleugnet hat. Sein Interview in unserer Zeitschrift führte 1983 zu einem großen Presserummel und einem Gezeter der linken selbsternannten „Antifaschisten“. Uns schien es wichtig, in dieser Phase der Blockkonfrontation in Europa, in der die Gefahr bestand, daß Deutschland zum atomaren Schlachtfeld der Supermächte hätte werden können, die nationale Frage (also eine Perspektive der Neuvereinigung der beiden deutschen Staaten) als Friedensalternative ins Gespräch zu bringen. Wir denken bis heute mit Dankbarkeit an Richard Scheringer (gestorben im Mai 1986), der dem Druck seiner damaligen Partei nicht nachgegeben und sich der Diffamierungskampagne, die gegen unsere Zeitschrift begonnen wurde, widersetzt hat. Ein aufrechter und verdienstvoller Patriot und Kommunist, dem wir unseren Respekt zollen. Das Interview mit Richard Scheringer aus dem Jahr 1983 halten wir für ein wichtiges Dokument der Zeitgeschichte, weshalb wir es hier noch einmal der Öffentlichkeit zugänglich machen möchten.

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Bedingungsloses Grundeinkommen: unsozial und wider die menschliche Natur

von Dr. Florian Sander

Bedingungsloses Grundeinkommen: unsozial und wider die menschliche Natur

Die Tücken des Bedingungslosen Grundeinkommens

Eine der größten, nicht immer präsentesten, aber dennoch grundlegendsten Streitfragen des linken Spektrums ist die Frage nach dem Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE). Seine Befürworter, nicht selten aus dem eher grünen und links- bis schlicht neoliberalen – und weniger aus dem orthodox-linken – Milieu kommend, argumentieren dabei gerne von einem humanitären und zugleich utopistischen Standpunkt aus, demzufolge eine Gesellschaft den Zwang zur Arbeit grundsätzlich ablegen müsse, um echte Humanität zu erreichen. Damit einher geht letztlich die – erstaunliche – Prämisse, dass Arbeit über ihre verbindliche Natur etwas Inhumanes an sich habe. Deutlich wird hierbei, an welchen Stellen die Postmoderne die politische Linke erreicht hat: Der Drang nach Abschaffung von Verbindlichkeiten macht auch vor der Arbeit als solcher nicht halt.

Wie zutiefst unsozial diese Prämisse im Kern ist, scheint dabei, abermals erstaunlicherweise, kontinuierlich ausgeblendet zu werden: Das Zurückweisen der Verbindlichkeit durch den einen bedeutet immerhin doppelte Verbindlichkeit für den anderen, der das Fehlen von Arbeitskraft wird kompensieren müssen. Doch dieser Gedanke läuft auf eine eher makrosoziologische – wenn nicht gar volkswirtschaftliche – Betrachtung des Themas hinaus, um die es in diesem Rahmen nicht gehen soll – und die für eine konsequente Ablehnung des BGE auch gar nicht notwendig ist.

„Trägheit“ – Kupferstich, 1558, von Pieter van der Heyden nach einer Zeichnung von Pieter Bruegel dem Älteren.

Weg in die Apathie

Entscheidende Argumente gegen das BGE lassen sich viel früher finden. Eine sorgfältige und wissenschaftshistorisch informierte soziologische Perspektive auf die Mikro-Ebene liefert bereits Hinweise darauf, wie unsozial und zugleich inhuman die Zurückweisung der Arbeit als solcher, die in der politischen Befürwortung des BGE letztendlich zum Ausdruck kommt, wirklich ist.

Bereits in der legendären Studie über „Die Arbeitslosen von Marienthal“ von Marie Jahoda, Paul Lazarsfeld und Hans Zeisel (1933), die quasi den Beginn der empirischen Sozialforschung darstellte, wurde in beeindruckender Präzision festgehalten, wohin lang andauernde Arbeitslosigkeit führt: Resignation, Passivität, Lethargie. Zustände also, die, psychologisch weitergedacht, mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Depression enden, sofern es nicht durch maßgebliche andere, „psychohygienische“ Faktoren kompensiert werden kann.

Nun gibt es – dieses absehbare Gegenargument nehmen wir an dieser Stelle vorweg – natürlich einen massiven Unterschied zwischen finanziell kritischer Langzeitarbeitslosigkeit in einem österreichischen Dorf Anfang der 30er Jahre einerseits und einem utopischen Zustand bezahlten Nicht-Arbeitens im Mitteleuropa des 21. Jahrhunderts andererseits. Finanzielle, sozioökonomische Nöte treiben Menschen in der Tat zunächst in die Apathie, da sie es ihnen ermöglicht, in einem Zustand möglichst geringer emotionaler Involvierung einfach zu „ertragen“ – gewissermaßen innere Mauern zu errichten, die sowohl die absehbaren Ängste fernhalten als aber eben auch positive Gefühle. Wut und Aggression, also die tragenden Emotionen jeder Revolution, erwachsen eben erst aus der Wahrnehmung einer „relativen Benachteiligung“. Will heißen: Wütend wird man erst, wenn man in sozioökonomischen Nöten ist und zugleich beobachten muss, wie andere es nicht sind, wie andere im Wohlstand leben, man selbst aber nicht. Die Relation, der Vergleich kreiert die Beobachtbarkeit und damit erst die Benachteiligungswahrnehmung.

Wir wollen gebracht werden

Wer jedoch meint, Apathie, Lethargie und Depression infolge von Langzeitarbeitslosigkeit ergäben sich einzig und allein aus der damit – auch heute noch – verbundenen sozioökonomischen Not, der gibt sich einer Illusion hin, die jeder sozialpsychologischen Erkenntnis zuwiderläuft. Denn: Die Wahrnehmung, gebraucht zu werden, in seiner sozialen Existenz einen Zweck zu erfüllen, eine soziale Funktion für die Gemeinschaft einzunehmen, ist immer noch und auch weiterhin ein unauslöschliches Grundbedürfnis eines jeden Menschen – Eremiten und „Aussteiger“ vielleicht einmal ausgenommen.

Arbeitslose beim Stempeln, ca. 1929

Das, was wir gemeinhin als „Selbstwertgefühl“ bezeichnen, hat stets mehrere Dimensionen. So ist dieses natürlich primär abhängig von erlebten Gefühlen wie Liebe, Zuneigung, Freundschaft etc., die über die Familie, Liebesbeziehungen und Freundschaften kommuniziert werden. Doch auch diese werden stets nur dadurch erlebt, dass der Eindruck gespiegelt wird, dem anderen etwas „gegeben“ zu haben. Menschen sind deswegen soziale Wesen, weil sie dadurch spüren, dass sie jemandem etwas wert sind, dass sie in ihrer Existenz für andere unverzichtbar sind. Diese Wahrnehmung wird zwar primär in den oben genannten sozialen Systemen des Privatlebens vermittelt, aber bereits direkt danach über das soziale System „Arbeitsplatz“.

Rast bei der Feldarbeit vor weiter Landschaft, 19. Jahrhundert, Künstler unbekannt

Dessen Macht ergibt sich dabei über seine Mehrdimensionalität: Wer arbeitet, erlebt Zufriedenheit idealerweise in gleich mehreren Hinsichten. Man arbeitet in dem Wissen, der Gesellschaft etwas gegeben zu haben wie auch in jenem, mit den Kollegen mitgehalten zu haben, auch kleineren sozialen Einheiten, also etwa dem Betrieb, einen unverzichtbaren Dienst erwiesen zu haben, den dieser nicht ohne Grund ent- und dadurch belohnt. Irgendwann kommt womöglich das Wissen hinzu, damit sogar zur Ernährung seiner Familie und damit zur Aufrechterhaltung eines weiteren sozialen Systems beigetragen zu haben.

Sicherlich gilt: Wir reden hier über Idealformen, die längst nicht immer erfüllt und auf diese, positive Art und Weise gelebt werden können. Wenn dies der Fall ist, so resultiert dies aber nicht aus der Arbeit als solcher, sondern vielmehr aus der Entfremdung der Arbeit, die aus neoliberalen Strukturen herrührt, die die Prioritäten verschiebt – vom Arbeitenden weg und hin zum Kapital. Das beschriebene Grundbedürfnis des Menschen nach Selbstwertgefühl durch Arbeit negiert dies jedoch ganz gewiss nicht. Arbeit als sozialer Vorgang ist in diesem Zusammenhang schlicht unersetzlich.

Wer diesen Zusammenhang negiert – sei es nun nur für sich persönlich oder gar gesamtgesellschaftlich – der hat entweder gute temporäre Kompensationsmechanismen gefunden (wie bspw. ehrenamtliche Tätigkeiten, die in psychologischer Hinsicht zeitweilige Substitute bilden können, aber schwerlich eine gesellschaftsweite Lösung für die Problematik bieten) oder reduziert kognitive Dissonanzen (anders gesagt: macht sich etwas vor). Es bleibt jedoch dabei: Das BGE als politisches Instrument würde den psychosozialen Grundbedürfnissen des Menschen zutiefst zuwiderlaufen.

Kapitalformen nach Bourdieu

Dies gilt umso mehr, als dass wir mit der oben beschriebenen Problematik nur die primäre Dimension dessen berührt haben, was die widernatürlichen Aspekte des BGE ausmacht. Wer seinen Bourdieu richtig gelesen hat, der stößt schnell auch auf die sekundäre, aber durch ihre Macht nicht weniger relevante Dimension. So dient Arbeit nämlich nicht nur der Spiegelung des eigenen Selbstwerts neben den Instanzen Familie, Liebesbeziehung und Freundeskreis, sondern ist oft genug auch jener soziale Raum, aus dem diese drei letztgenannten Instanzen „rekrutiert“ werden! Wo es an Arbeit fehlt, da kommt es in der Regel auch allzu häufig zu sozialer Isolation, Einsamkeit und dadurch – wiederum – Depression. Eine Entwicklung, die mit dem BGE abermals weiter forciert würde.

Denn – und hier tritt die immer wieder äußerst instruktive Unterscheidung der Kapitalformen nach Pierre Bourdieu zutage – ökonomisches Kapital (welches das BGE über den Geldfluss stärken würde) ersetzt eben weder das soziale noch das kulturelle oder das symbolische Kapital. Im Gegenteil: Das BGE würde diese für die menschliche Bedürfnisbefriedigung voneinander untrennbaren Kapitalformen sogar künstlich auseinanderdividieren, indem es ökonomisches Kapital fließen ließe, aber durch die Entkopplung von der Arbeit die übrigen Kapitalformen gezielt davon trennt, was letzten Endes dann eben auch für den Einzelnen darin münden würde, dass seine Chancen auf Vermehrung seines sozialen, kulturellen und symbolischen Kapitals sinken. Anders gesagt: Das BGE läuft nicht nur der menschlichen Natur und ihren Grundbedürfnissen zuwider, sondern schadet dem Menschen und dem sozialen Miteinander, indem es soziale Ungleichheit verstärkt.

Zur Erläuterung des Bourdieu-Modells: Unter sozialem Kapital verstehen wir den Wert sozialer Beziehungen, über die Menschen verfügen, und über die sie die Möglichkeit erlangen, sozial aufzusteigen bzw. sozialen Abstieg zu verhindern. Beginnend mit der Familie, die über die Sozialisation die entscheidenden Prämissen für die soziale Position eines Menschen setzt (etwa auch, indem sie dem Kind überhaupt erst vor Augen führt, welche Relevanz diese eigentlich hat, was dann wiederum seinen Ehrgeiz formt, diese zu erhalten oder zu stärken) bis hin zu sozialen Netzwerken – Freunden und Bekannten – welche einem „Connections“ / „Vitamin B“ verschaffen, Vorbildwirkung über das „richtige Umfeld“ usw. usf. Das soziale Kapital ist ein entscheidender Faktor für das Wohlergehen eines Menschen, sowohl in psychosozialer als auch letztlich in sozioökonomischer Hinsicht. Das BGE würde es vom ökonomischen Kapital trennen, indem über das Wegfallen der Verbindlichkeit „Arbeit“ die Rekrutierung des sozialen Kapitals massiv leiden würde. Die möglichen Folgen dessen wurden oben hinreichend beschrieben.

Das Elend der Faulheit, Georg Morland, 1780

Weiter geht es beim kulturellen Kapital, worunter nicht zuletzt Aspekte der Bildung zu verstehen sind: Bildungstitel genauso wie auch „Skills“, welche man über Bildung erlangt hat, sowie Fähigkeiten, die über die Sozialisation erworben wurden. Nun würde das BGE zwar nicht zwingend die Institutionen Schule, Hochschule und berufliche Bildung aushebeln, wohl aber das Motiv, im Rahmen dieser etwas zu erreichen, um hinterher davon auf dem Arbeitsmarkt zu profitieren. Denkt man ferner das BGE über mehrere Generationen weiter, würde unweigerlich ein negativer Effekt auch in Sachen Sozialisation eintreten, denn wo kein Bedarf nach Arbeit mehr ist, da ist auch keine Notwendigkeit, nach Fähigkeiten für diese zu streben und seinem Kind diese zu vermitteln. Heißt: Das BGE würde den sozialen Graben zwischen jenen, die arbeiten und jenen, die es nicht tun, auch über Generationen hinweg massiv verschärfen und die Kinder der letzteren gegenüber den Kindern der ersteren buchstäblich unaufhebbar benachteiligen, indem es Sozialisationsunterschiede über Generationen zementiert. Die soziale Ungleichheit würde verfestigt; die ohnehin schon große Wirkungsmacht des sozialen Kapitals („In welche Familie wurde man hineingeboren?“) würde nochmal verstärkt werden.

Leiden würde auch das symbolische Kapital, unter das man die Wirkungsmacht von Prestige und sozialer Ankerkennung fassen kann, die sich mal mehr, mal weniger subtil, etwa auch über den Habitus, auf den sozialen Auf- und Abstieg von Menschen auswirken (man denke hier etwa an Bewerbungsgespräche für eine Stelle mit Repräsentationsfunktion, mit zwei formal gleich qualifizierten Bewerbern, von denen aber einer der beiden reines Hochdeutsch spricht, der andere dagegen mit dem Dialekt eines sozialen Brennpunktviertels – man muss nicht lange überlegen bei der Frage, wer am Ende beim Personalchef besser ankommt). Sogar hier schlüge das BGE negativ zu, indem es jene, die nicht gearbeitet haben, prestigemäßig stets hinter jene anderen zurückfallen lassen würde, die sich für ein Leben mit Arbeit entschieden haben.

Faktische Zwei-Klassen-Gesellschaft

Gewiss: Schon heute bedeutet Arbeitslosigkeit einen massiven Ansehensverlust in vielen Milieus. Es ist aber ein Unterschied, ob man versucht, dem politisch entgegenzuwirken, indem man Menschen in Arbeit bringt, oder ob man auf eine faktische Zwei-Klassen-Gesellschaft hinarbeiten will, in der die eine Klasse arbeitet und die andere nicht, und in der dieser sie prägende Zustand sogar noch über Generationen weiter verfestigt wird (bis hin zu dann denkbaren „Schulen für BGE-Kinder“, in denen Schüler nur die Mindestbildungsziele vermittelt bekommen, weil sie nicht-arbeitenden Elternhäusern entstammen und sie somit – Stichwort: soziales Kapital! – nie gelernt haben, warum Arbeit auch ein positiver Wert sein kann und sollte, weswegen sie ohnehin nicht dorthin streben und daher auch nicht dafür ausgebildet werden müssen).

Am Ende dieser „Vision“ steht eine Dystopie: Eine Gesellschaft, die in zwei verfestigte Klassen gespalten ist, die zu durchbrechen mit dem steigenden Alter der BGE-Einführung immer schwieriger wird. Begleitet von absehbaren sozialen Konflikten, die aus Sozialneid und Unzufriedenheit darüber resultieren, dass man selbst zur arbeitenden Klasse gehört, damit eine nicht-arbeitende ernährt, deren Kinder sich ihrerseits gar nicht mehr vorstellen können, zu der anderen zu gehören, weil sie vom sozialen, kulturellen und symbolischen Kapitalzufluss der arbeitenden Klasse abgeschnitten wurde.

Nicht umsonst entstammt das BGE als Idee der Big-Tech-Zentrale Silicon Valley, wo nicht nur die postmoderne Zensur-Dystopie des 21. Jahrhunderts geplant und umgesetzt wird, sondern wo man auch gezielt und durchweg fatalistisch-schulterzuckend damit kalkuliert, dass die „Abgehängten“ dauerhaft nicht mehr beruflich qualifizierbar seien, weswegen man sie mit dem BGE schließlich abspeisen möchte. Bezahlen soll das natürlich der Staat – die Wirtschaft wäre fein raus, hätte zugleich noch den Vorteil, dass mit dem Verweis auf das BGE klassische sozialstaatliche Institutionen, für die sie mit einzustehen hat (Sozialversicherung, Mindestlohn etc.), ja angeblich wegfallen könnten. In den Planungen manch liberaler BGE-Befürworter bleibt das Grundeinkommen dabei dann auf einem Niveau, das das von Hartz IV unterschreitet, und das bei gleichzeitigem Wegbrechen des Sozialstaates – während es in der öffentlichen Kommunikation zugleich von einem Nimbus eines neuen sozialen Paradieses verziert würde, dem weniger informierte zunächst auf den Leim gehen. Bezahlen würde all das derweil der Steuerzahler. So treibt man Heuchelei auf die Spitze. Und doch passt es eben allzu gut zur passenderweise mit Corona begründbaren, weiteren Schein-Utopie des voll-digitalisierten, global konsumierenden, in seiner Identität entfremdeten Stubenhocker-Arbeitnehmers der „Great-Reset“-Verfechter.

Ausblick

Wer visionäre Politik betreiben will – was ja an sich nicht falsch ist –, der kann und darf nicht darauf verzichten, seine Positionen möglichst soziologisch informiert weiterzudenken und aus ihnen Konsequenzen abzuleiten. Anders kann und darf man Utopien nicht verfolgen, wenn sie nicht zu Dystopien werden sollen. Die Befürworter des BGE lassen es an diesem Grundsatz fehlen, was es umso erstaunlicher macht, dass ihr Konzept mit einer solchen Beharrlichkeit weiter durch die sozialpolitischen Debatten geistert. Weniger erstaunlich dabei ist freilich, dass es auch von der links- bis neoliberalen Seite immer häufiger bereitwillig aufgegriffen wird.

Wahrhaft soziale Politik muss Menschen dort abholen, wo sie stehen. Dass dies nicht als Floskel gemeint ist, sollte die vorangegangene Argumentation deutlich gemacht haben: Menschen sind soziale Wesen, die einer Vielzahl an Kapitalformen bedürfen, um zu Wohlstand zu kommen. Ein wirklich sozialer Staat – was ein Staat, der das BGE verwirklichen würde, genauso wenig ist wie die grenzoffene, alle Welt versorgende, LGTBIQ- und Gender-affine, aber den eigenen Bürgern gegenüber skrupellos autokratisch vorgehende Bundesrepublik – müsste darauf hinwirken, soziale Ungleichheit zu beseitigen, indem er Menschen ermöglicht, besser an ökonomisches, an soziales, an kulturelles und an symbolisches Kapital zu gelangen. Das BGE, das das erstere zu Ungunsten der drei anderen Kapitalformen stärkt und dadurch sogar den Zugang zum ersteren durch die Hintertür wieder schwächt, ist hierbei rundweg kontraproduktiv.

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Dr. Florian Sander

Florian Sander

Dr. Florian Sander ist Soziologe und Politikwissenschaftler. Er ist Mitglied der Landesprogrammkommission und des Landesfachausschusses Außen- und Sicherheitspolitik der AfD in NRW sowie Kreisvorsitzender der AfD Bielefeld und Mitglied des Rates der Stadt Bielefeld. Er schrieb u. a. für ‚Le Bohémien‘, ‚Rubikon‘, ‚Linke Zeitung‘, den ‚Jungeuropa‘-Blog und ‚PI News‘ und ´Arcadi`, ist inzwischen Autor für ‚Sezession‘, ‚Glauben und Wirken‘, ‚Wir selbst‘ und ‚Konflikt‘ und betreibt den Theorieblog ‚konservative revolution‘.

„Institut für Staatspolitik“ als geistiges Gravitationszentrum und die Repression des Verfassungsschutzes

Interview mit Dr. Erik Lehnert (Geschäftsführer des IfS)

„Institut für Staatspolitik“ als geistiges Gravitationszentrum und die Repression des Verfassungsschutzes

Der Verfassungsschutz von Sachsen-Anhalt stuft das „Institut für Staatspolitik“ (IfS) als „gesichert rechtsextrem“ ein. Im TAGESSTIMME-Interview spricht IfS-Leiter Erik Lehnert über die neue Einstufung, die Vorwürfe des Verfassungsschutzes und was aus seiner Sicht dahintersteckt.

TAGESSTIMME: Gestern brachten allen großen Zeitungen die Meldung, dass das „Institut für Staatspolitik“ nun vom Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft wurde. Was heißt das zunächst einmal?

Erik Lehnert: Die Meldung bezieht sich auf den noch unveröffentlichten Verfassungsschutzbericht des Landesamtes für 2020. Wir haben von der Einstufung auch erst aus der Presse erfahren. Zum jetzigen Zeitpunkt bedeutet diese Einstufung zunächst einmal viele Presseanfragen von den üblichen Verdächtigen, die sich die Hände reiben. Kritische Berichterstattung findet nicht statt, weil die Presse mit dem Parteienstaat an einem Strang zieht und zu einem Verlautbarungsorgan der Behörden verkommen ist.

Ihr Institut ist wie alle oppositionellen Gruppen und Denker schon länger im Visier der Repressionsorgane. Haben Sie die „Heraufstufung“ bereits erwartet oder kommt diese nach nunmehr 20 Jahren erfolgte Einschätzung überraschend?

Wir mussten damit rechnen, dass irgendwann aus dem Verdachtsfall ein Beobachtungsfall wird. Allerdings würde uns schon interessieren, welche neuen Erkenntnisse die Behörde hat, um zu dieser Einstufung zu kommen. Ich kann nicht finden, dass sich unsere Arbeit in den letzten Jahren so verändert hat, dass diese Verschärfung gerechtfertigt wäre. Es drängt sich ja förmlich der Verdacht auf, dass man das Jahr zwischen Verdachtsfall und Beobachtungsfall nur aus formalen Gründen verstreichen ließ, die Einstufung aber längst beschlossene Sache war. Die Landesämter müssen offensichtlich Munition für das Großvorhaben „Beobachtungsfall AfD“ liefern, da die von den Konkurrenzparteien geführten Innenministerien realisiert haben, dass die AfD nicht von allein wieder verschwindet.

Die AfD ist nur ein Beispiel für Organisationen, die in den letzten Jahren ins Visier des Verfassungsschutzes geraten sind, hinzu kommen beispielsweise auch das Bürgernetzwerk „Ein Prozent“ und die Zeitschrift „Compact“. Was steckt dahinter?

Dabei handelt es sich um eine konzertierte Aktion gegen die „Neue Rechte“, zu der Thomas Haldenwang, der Präsident des Bundesamtes, im letzten Jahr den Startschuss gegeben hat. Er konnte dabei allerdings auf die Arbeit seines Vorgängers aufbauen, der für die Beobachtung der Identitären Bewegung gesorgt hatte. Ziel ist es, Kritiker mundtot zu machen. Das eigentliche Ziel ist zweifellos die AfD, bei der sich der Angriff aber aufgrund ihres Parteienstatus‘ und dem hohen Zuspruch, den sie in einigen Bundesländern genießt, schwieriger gestaltet. Wenn der Verfassungsschutz es in dieser Richtung übertreibt, droht die schon geringe Akzeptanz für diese Einrichtung weiter zu schwinden. Also nimmt man sich erst einmal alles vor, was kleiner ist und über irgendeinen Bezug zur AfD verfügt. Mit diesem Vorgehen erhöht man den Druck auf das Milieu insgesamt und hofft vermutlich weiterhin, dass sich dadurch Distanzierungen und womöglich die Parteispaltung provozieren lassen. Es handelt sich um ein Spiel über Bande.

Das IfS vertrete „rassistische und biologistische Sichtweisen“ und sei ein „geistiges Gravitationszentrum“ für die ganze deutsche Neue Rechte, wird Ihnen vom Verfassungsschutz vorgeworfen. Was sagen Sie dazu?

Natürlich erheben wir den Anspruch ein geistiges Gravitationszentrum zu sein, wenn man darunter einen zentralen Anziehungspunkt des freien Geistes versteht. Dass das den Mächtigen nicht schmeckt, darf einen nicht wundern. Die Macht ist ihren Kritikern nie wohlgesonnen. Was an diesem Vorgang heute so abstoßend wirkt, ist weniger die Tatsache als solche, sondern vielmehr die moralische Verbrämung des Machterhalts. Dem Kritiker wird die Satisfaktionsfähigkeit abgesprochen, um sich mit seinen Argumenten nicht auseinandersetzen zu müssen. Der Vorwurf, wir würden „rassistische und biologistische Sichtweisen“ vertreten, ist Blödsinn. Da würden mich mal die Belege interessieren.

Weiter wird ihnen vorgeworfen, eine „vermeintliche linke Hegemonie in Gesellschaft und Politik aufbrechen“ zu wollen und eine „Diskursverschiebung nach ,rechts’“ anzustreben.

Das ist das normale Geschäft einer oppositionellen Denkrichtung, dass sie den politischen Gegner angreift. Dass es eine linke Hegemonie gibt, wird niemand ernsthaft bestreiten. Schon das gemeinsame Vorgehen von Politik und Presse in unserem Fall beweist das doch zur Genüge. Wenn es diese Hegemonie nicht gäbe, wären irgendwo wenigstens Zwischentöne in der Berichterstattung zu hören, oder ein Politiker würde zur Mäßigung aufrufen. Insofern ist auch dieser Vorwurf absurd und entlarvt diejenigen, die ihn erheben.

Mutmaßlich um den Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln als angemessen und notwendig erscheinen zu lassen, wird die mangelnde Transparenz des IfS kritisch vermerkt. Das Institut habe bisher weder Ideologie noch Struktur offengelegt, heißt es.

Das ist etwas merkwürdig, weil es ja gleichzeitig heißt: „Stärker als viele andere rechtsextremistische Gruppierungen setzt das IfS auf die Schrift als Mittel zur Verbreitung der eigenen Ideologie.“ Dass wir nicht sagen, was wir meinen, kann man uns daher eigentlich nicht vorwerfen. Alles, was wir tun, ist öffentlich, sei es als gedrucktes oder gesprochenes Wort. Aber ein Geheimdienst braucht natürlich irgendeine Begründung für seine Arbeit. Wenn es da nichts Verborgenes gibt, das zu erschnüffeln wäre, behauptet er einfach, es gäbe etwas. Da ausgerechnet beim Verfassungsschutz die Beweislastumkehr gilt, muss der Verfassungsschutz seine Behauptungen nicht belegen. Und das Gegenteil zu beweisen, ist beim Vorwurf der mangelnden Transparenz unmöglich solange es keine vollends gläsernen Menschen gibt und Gedanken nicht lesbar sind.

Inwieweit sind Ihrerseits Gegenmaßnahmen geplant, beispielsweise eine Klage gegen die Einstufung?

Nun, wir prüfen das, allerdings sind die Aussichten nicht besonders gut. Seitdem die Verfassungsschutzbehörden den Joker „Menschenwürde“ entdeckt haben, und die Gerichte ihnen darin folgen, ist jede Aussage, die sich beispielsweise positiv auf den Fortbestand des deutschen Volkes bezieht, ein potentieller Verstoß gegen diese Menschenwürde. Das klingt im ersten Moment absurd, denn auch Deutsche sind ja Menschen, aber das Prinzip „Menschenwürde“ wird so ausgelegt, dass jede Differenzierung innerhalb der Menschheit als Exklusion von anderen Menschen interpretiert wird. Normalerweise wäre das eine philosophischen und keine juristische Auseinandersetzung.

Die Einstufung ermöglicht sowohl weitere Maßnahmen gegen Sie, wie nachrichtendienstliche Überwachung, als auch gegen Unterstützer und Besucher von Veranstaltungen. Was heißt das konkret für eine Person die beispielsweise eine der Akademien in Schnellroda besuchen will?

Wie der Presseberichterstattung zu entnehmen war, werden wohl schon seit zwei Jahren nachrichtendienstliche Mittel gegen uns eingesetzt. Insofern wird sich an der Praxis nicht viel ändern, nur dass manch einer die anderen Teilnehmer mit etwas Argwohn betrachten wird. Genau das will der Verfassungsschutz erreichen. Wer nach einem historischen Vorbild für dieses Vorgehen sucht, wird bei der Staatsicherheit der DDR fündig, Stichwort „Zersetzung“. Auch damals haben sich Leute, die ernsthaft an Veränderungen interessiert waren, davon nicht abschrecken lassen. Es erfordert Mut zu seinen Überzeugungen zu stehen, auch im offiziell „freiesten Staat der deutschen Geschichte“.


Zur Person:

Dr. Erik Lehnert: geboren 1975 in Berlin, studierte Philosophie, Geschichte sowie Ur- und Frühgeschichte. Er war anschließend DFG-Stipendiat in Bamberg und wurde 2006 über Karl Jaspers und die Philosophische Anthropologie zum Dr. phil. promoviert. Anschließend Lektor bei Antaios und Redakteur der Sezession, seit 2008 Geschäftsführer des Instituts für Staatspolitik (IfS), seit 2015 Wissenschaftlicher Leiter. Mitbegründer des Netz-Tagebuchs der Sezession.

Wir bedanken uns bei der Redaktion des Nachrichtenportals TAGESSTIMME für die Genehmigung, dieses Interview mit Dr. Erik Lehnert, das dort am 06.10.2021 veröffentlich wurde, auch auf unserer Seite veröffentlichen zu dürfen.

Die TAGESSTIMME ist ein österreichisches Nachrichtenportal für den gesamten deutschsprachigen Raum, das den unabhängigen und kritischen Journalismus sowie die freie und demokratische Meinungsbildung fördert. Besonderen Wert legen die Redakteure auf die Darstellung differenzierter Sichtweisen und Positionen. Sehr empfehlenswert!

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