Zum 10. Todestag von Günter Grass: Was er sagen musste

von Dr. Florian Sander

Zum 10. Todestag von Günter Grass: Was er sagen musste

Wenn wir Deutsche nicht in der Lage sind, uns ohne Hybris als Nation zu definieren, sei es mit Hilfe unseres nach wie vor vagen Kulturbegriffs: dann entsteht ein Vakuum, das ist sogar schon da.“

(Günter Grass, Diskussionsbeiträge in einem kulturpolitischen Streitgespräch, Die ZEIT Nr. 35 vom 22.08.1980; zitiert in Peter Brandt / Herbert Ammon (Hrsg.) (1981): Die Linke und die nationale Frage. Dokumente zur deutschen Einheit seit 1945. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, S. 366.)

Mit Günter Grass verstarb am 13. April 2015 nicht einfach „nur“ ein großer Schriftsteller, sondern zugleich auch einer der bekanntesten, politischsten und streitbarsten Intellektuellen der deutschen Nachkriegsgeschichte. Ein Mann, der sich stets einmischte, der dabei – besonders in den letzten Jahren – nicht unumstritten war, der aber keine Angst hatte, gegen teils mächtige, gar internationale Widerstände zu seinen Überzeugungen zu stehen, so unbequem sie auch waren.

Günter Grass war kein Mann der leisen Töne. Seine Positionierungen waren stets klar, laut und bisweilen leidenschaftlich und emotional. Der Sozialdemokrat, der sich für Willy Brandts Deutschlandpolitik engagiert hatte, trat 1992 aus der SPD aus, weil er mit deren Zustimmung zum Asylkompromiss nicht einverstanden gewesen war. Gleichwohl betrachtete er sich auch nach dieser drastischen, aber – typisch Grass – prinzipienorientierten Grundsatzentscheidung weiterhin als demokratischer Sozialist. Wohlgemerkt: Als rot-grüner demokratischer Sozialist.

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Obamas Aufruf zum „Widerstand“ gegen Trump

von Andreas Schnebel

Obamas Aufruf zum „Widerstand“ gegen Trump

Man muss sich verwundert die Augen reiben: Der ehemalige Präsident der Vereinigten Staaten, Barack Obama, ruft öffentlich zum „Widerstand“ gegen seinen demokratisch gewählten Nachfolger auf – und das zehn Wochen nach dessen Amtsantritt. Man stelle sich die Reaktionen vor, hätte ein konservativer Ex-Präsident Ähnliches während Obamas Präsidentschaft gefordert. Der Aufschrei wäre gewaltig gewesen – zu Recht.

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Shitbürgertum

Buchbesprechung von Werner Olles


Shitbürgertum

Die Frage, was dabei herauskommt, wenn ein „Shitbürger“ ein Buch über „ Shitbürger“ schreibt, ist im Prinzip leicht zu beantworten: Shit! Die Rede ist von Ulf Poschardts „Shitbürgertum“, ein Werk, für das er keinen Verleger fand und dann auf die unheilvolle Idee kam, es im Selbstverlag herauszubringen. Gemeint ist mit dem besagten Terminus das „kulturell dominante Links-Grün-Bürgertum mit seinem ewig urteilenden Gestus der Überheblichkeit, das in Deutschland und Europa eine Spur der Verwüstung hinterlassen hat, und auf die Dauer den Westen zerstören wird!“ Stimmt man als reaktionärer Etatist dem ersten Teil noch zu, wird es schon beim letzten Teil brenzlig. Nun kann man von Poschardt nicht unbedingt verlangen, daß er Alain de Benoists „Den Westen brechen“ gelesen und verstanden hat, und natürlich gehen auch unsereinem die Genderisten, LGTB-Fans, Antifas und Konsorten gehörig auf die Nerven, doch viel interessanter als ihr „Denken“ ist doch ihr Erfolg. Ihre Wirklichkeitsferne und ihr Erfolg, sich wechselseitig stützend, liegen darin, daß die geisteswissenschaftliche Intelligenz der heutigen Massenuniversitäten, aus denen sich das Personal der „Belehrung, Betreuung und Beplanung“ speist, zwar politisch relativ machtlos ist, aber die Alleinherrschaft im Überbau an sich gerissen hat und sich dort genüßlich austobt. Ihre geringe Machtchance macht sie indes immer gereizter, ihren antinationalen Charakter immer aggressiver und ihren Schuld-Messianismus immer klebriger.

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Syrien: Der Sturz von Assad und die Folgen

von Dr. Florian Sander

Syrien: Der Sturz von Assad und die Folgen


Auszug aus einem Kommentar im August 2011: Wissen, was danach kommt

Im Anschluss an einen gewonnenen Krieg geht es erst richtig los: Verhandeln, Nation Building, Terrorismusbekämpfung, zerstrittene Rebellen wieder zusammenbringen. Was in Afghanistan und im Irak letztlich die wirkliche Herausforderung für die westlichen Kriegsparteien bildet, wird auch im Libyen der Post-Gaddafi-Ära noch einen gewaltigen Kraftakt erfordern. Gerade jedoch, weil die allgemeine Ratlosigkeit, das Chaos und die richtigen Konflikte zumeist erst dann einsetzen, wenn das betreffende Regime verschwunden ist, sollte man sich auch im Falle Syriens bereits jetzt genau überlegen, was denn an Alternativen zur Verfügung steht, bevor man alles tut, um ein Regime loszuwerden.

Im Falle Syriens ist die nicht erfolgende militärische Intervention des Westens wohl nicht einfach nur ein Resultat mangelnder Ressourcen aufgrund der Inanspruchnahme durch Afghanistan und Libyen sowie dem fehlenden Öl. Der Westen weiß sehr genau, was er bisher am Assad-Regime hatte. Es ist kein Geheimnis, dass etwa die christliche Minderheit in Syrien, die 10 % der syrischen Bevölkerung ausmacht, sich mit der alawitischen Minderheit, aus der auch das Assad-Regime hervorgegangen ist, verbunden fühlt. So hat die Assad-Regierung über Jahre hinweg die islamistische Muslim-Bruderschaft bekämpft und die christliche Minderheit vor islamischen Extremisten geschützt. Mit einem Sturz des Regimes, der zur Folge haben könnte, dass die sunnitische Mehrheit die Macht erlangt, könnte eine Entwicklung eintreten, die nicht nur für syrische Christen zutiefst gefährlich werden könnte.

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Die Merz’schen Wahlkapitulationen

von Klaus Kunze

Die Merz’schen Wahlkapitulationen

Deutschland degeneriert zum Feudalstaat. Die große Errungenschaft der Neuzeit: der moderne Staat, befindet sich auf dem Rückzug. Schlaglichtartig deutlich wird das durch Friedrich Merz‘ Wahlkapitulationen.

Noch vor seiner von ihm erhofften Wahl zum Bundeskanzler muß er sich gegenüber der SPD und den Grünen verpflichten, das Gegenteil von dem zu tun, was er vor der Bundestagswahl versprochen hatte.

Das alte, 1806 untergegangene Heilige Römische Reich hatte im Hochmittelalter noch aus eigener Hausmacht regierende Könige wie Friedrich Barbarossa gekannt. Am Ende des Mittelalters war auch die Reichsgewalt am Ende. Die Kurfürsten wählten nur den zum König, der ihnen vorher immer weitergehende Privilegien einräumte. Befugnisse des Reichs gingen unwiderbringlich auf die Territoralfürsten über. Zur ersten förmlichen Wahlkapitulation kam es nach dem Vorbild der Abmachungen der geistlichen Fürsten bei der Königswahl Karls V. 1519, der die Vorgaben der Fürsten für die künftige Regierung durch einen Eid nach seiner Wahl, aber vor der Krönung als bindend anerkannte.

Wer sich zum Kaiser krönen lassen wollte, mußte erst von den Kurfürsten zum König gewählt werden und benötigte dazu die Stimmen der Kurfürsten (Bild: Historisches Lexikon Bayerns, um 1600, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 9210)

Bald konnte niemand mehr König werden, ohne sich zuvor die Kurfürsten durch Bestechungsgelder und Privilegien gewogen gemacht zu haben. Diese Privilegien bestanden in einem fortschreitenden Verzicht des Königs und damit des Reiches auf einzelne Königsrechte. Solche Verträge wie zwischen dem künftigen König und den Kurfürsten nannte man damals Kapitulationen. So bauten die Fürsten im Laufe der Zeit eine eigene Souveränität auf, bis das Reich als Machtgebilde nicht mehr existierte.

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Wie Medien Hysterie schüren

von Dr. Florian Sander

Wie Medien Hysterie schüren

Kürzlich las man die reißerische Schlagzeile: Militärhistoriker Sönke Neitzel warnt, 2025 könne „der letzte Sommer werden, den wir im Frieden erleben“, weil im September das russisch-belarussische Militärmanöver Sapad wieder ansteht und dieses als Angriffsvorbereitung gegen die baltischen Staaten genutzt werden könnte.

Sönke Neitzel (2011) _ Copyright: Das blaue Sofa / Club Bertelsmann.

Wie realistisch solche reißerischen Propaganda-Schlagzeilen sind, offenbart sich, wenn man einfach einmal ältere Artikel dieser Art recherchiert. So wiederholen sich solche medialen Paranoia-Rituale nämlich seit 2022 Jahr für Jahr. Anfang 2024 griff etwa die BILD-Zeitung ein Bundeswehr-Geheimpapier auf und stilisierte daraus die Horrorvision eines russischen Angriffes noch im selben Jahr. Komisch – haben wir etwas verpasst, oder ist 2024 doch nichts dergleichen passiert?

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Das Brückenmännchen zu Dresden

Bert Wawrzinek

Das Brückenmännchen zu Dresden

Die sächsische Landeshauptstadt verfügt über nicht wenige weltbekannte Wahrzeichen, worunter im Zeitalter des Massentourismus vor allem architektonische Meisterleistungen wie Frauenkirche, Zwinger oder „Blaues Wunder“ verstanden werden. Vor der Industrialisierung, der Fremdenverkehr steckte noch in den Kinderschuhen, dominierten hingegen christliche Wallfahrer, Handelsreisende und vor allem Handwerksburschen Europas Straßen. Allein der Adel schickte seine Söhne auf Kavalierstour in die Welt. Wahrzeichen – Erkennungszeichen der Städte – konnten vielfältigen Ursprungs sein. Da waren Weichbildsteine (die der Umgrenzung der Orte dienten), Gerichtszeichen (z. B. Rolandssäulen), Schlußsteine an Brücken oder Domen, Wirtshauszeichen, die Türme einer Stadt oder sagenhafte bzw. schwer erklärbare Phänomene. Doch nur wenige jener außergewöhnlichen Dinge, die einen Ort letztlich unverwechselbar machen, eroberten Herz und Phantasie des einfachen Volkes auf Dauer, „bürgerten“ sich ein, um als „Wahrzeichen“ allgemeine Gültigkeit zu beanspruchen. Eine besondere Rolle spielten dabei gerade die Handwerksgesellen, welche seit dem Spätmittelalter auf mehrjährige Wanderschaft gingen, um auch außerhalb der engeren Heimat Erfahrungen zu sammeln. Bis zum Aufkommen der Wanderbücher sollte der reisende Handwerksbursche also die Wahrzeichen einer durchlaufenen Stadt genau gekannt haben; diente deren Kenntnis gegenüber den gestrengen Altgesellen als Beweis für den angegebenen Aufenthalt.

Kein Touristenmagnet – und doch eines der ältesten bekannten Wahrzeichen Dresdens ist das Brückenmännchen. Hermann Meynert (Janus) nennt es 1833 im „Charaktergemälde von Dresden“ als eines von drei erwähnenswerten Wahrzeichen der Elbestadt, und auch Cornelius Gurlitt verzeichnet es 1901 in seinem Inventar.

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Was passiert, wenn die Union ein Opfer im Kampf gegen Rechts wird?

von Vera Lengsfeld

Was passiert, wenn die Union ein Opfer im Kampf gegen Rechts wird?

Seit Tagen läuft die linke Blase Sturm: Politik und Medien überschlagen sich in Empörung über die Anfrage der Union zur Finanzierung von sogenannten Nichtregierungsorganisationen aus den immer zahlreicher werdenden staatlichen Demokratieprogrammen. Das Phänomen ist nicht neu. Schon jahrzehntelang wurde immer mal wieder die Frage aufgeworfen, warum sich ein Verein NGO nennen darf, obwohl er von der Regierung bezahlt wird und die Opposition bekämpft. Bisher hat das die Union wenig interessiert. Als die ehemalige Familienministerin Kristina Schröder (CDU) die finanzielle Unterstützung von NGOs und ähnlichen Gebilden von einem Bekenntnis zum Grundgesetz abhängig machen wollte, gab es einen ähnlichen Sturm der Entrüstung wie heute. Es endete damit, dass zahlreiche Gruppierungen die Unterschrift verweigerten und trotzdem Geld bekamen – nur nicht mehr direkt, sondern von einer Dachorganisation, deren Geldverteilung nicht mehr kontrolliert wird.

Mitte 2010 rief Schröder die Initiative „Demokratie stärken“ ins Leben. Das Programm richtete sich an Jugendliche und sollte präventiv gegen Linksextremismus und Islamismus vorgehen. Dieses Programm wurde von ihrer Nachfolgerin Manuela Schwesig gestrichen. Die Programme hätten die „Zielgruppe nicht erreicht und die Probleme nicht getroffen“. Die Ende 2011 von Schröder veranlasste Kürzung des Programms gegen Rechtsextremismus wurde noch im selben Jahr von der Merkel-Regierung wieder zurückgenommen. Heute geht es in den Demokratieprogrammen nur noch um (angeblichen) Rechtsextremismus, während auch islamistische Vereine davon zu profitieren scheinen.

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Geopolitische Nachhilfe am kalten Kamin

von Rocco Burggraf


Geopolitische Nachhilfe am kalten Kamin

Was da im Weißen Haus zwischen Trump und Selenskyj ablief, mag spektakulär anmuten. Spektakulär war aber lediglich, dass die Öffentlichkeit diesmal ungefiltert an Politik teilnehmen durfte. Was zum Vorschein kam, läßt die stocksteifen Etikettenschwindler in Europa erneut dastehen wie Amateure. Ihr ewiges Märchen von Gut hier und Böse da erweist sich als lächerliche Sandkastenspielerei. Und natürlich wird in ihrer Schockstarre über die Offenbarung des Wesens von Politik auch die völlige Überforderung Europas in geostrategischen Fragen deutlich.

In den entsetzten Kommentaren der europäischen „Einordner“ ist nun von allem Möglichen die Rede, übersehen wird aber der Hohlraum, der sich noch unter dem von Trump aufgerissenen doppelten Boden befindet. Dort liegt aber der Hund begraben. Europa mit den Deutschen an erster Stelle täte so langsam gut daran, die Schlachtaufstellung endlich aus der eigenen Perspektive zu analysieren. Nur – die begriffsstutzigen Mündel kommen einfach nicht in die Pubertät. Die Lage ist – wie so oft – weder besonders komplex noch undurchschaubar oder gar untersuchungsbedürftig, sondern völlig offensichtlich. Das meiste liegt auf der Hand, man darf also Eins und Eins zusammenzählen.

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Das Trump-Selensky-Meeting im Oval Office des Weißen Hauses

Ein Facebook-Kommentar von Thomas Fasbender

Das Trump-Selensky-Meeting im Oval Office des Weißen Hauses

Man muss sich unbedingt die gesamten fast 50 Minuten des Pressetermins im Oval Office reinziehen. Selenskyj wirbt ausführlich für das Narrativ, das auch die europäischen Regierungen/Medien seit langem verinnerlicht haben: Die Ukraine ist die vorderste Verteidigungslinie der europäischen Zivilisation; wenn sie im Krieg gegen Russland nicht siegt, ergießt sich die russische Flut Richtung Westen bis zur Oder, zur Elbe, zum Rhein, zum Ärmelkanal.

Trump hält dagegen: Wenn sein Deal steht und die Amerikaner Equity an den ukrainischen Vorkommen von Seltenerdmetallen halten, wird seine Autorität hinreichen, den Kreml von einer Wiederaufnahme des Krieges abzuhalten.

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