Hans Magnus Enzensberger in der Zeitschrift wir selbst: Von den Zumutungen der Kulturpolitik

von Hans Magnus Enzensberger (verstorben am 24. November 2022), erschienen in der „wir selbst“-Ausgabe „Globalisierung“, 3-4/1998

Eine ungeheure, weltumspannende Industrie hat dafür gesorgt, daß wir mit der Produktion von Kultur aus allen Zonen der Erde in nie dagewesener Fülle gesegnet, um nicht zu sagen bombardiert werden. Genauso wie in den Supermärkten aller Metropolen exotische Früchte und Gewürze Einzug gehalten haben; genauso wie man in Zürich oder Kapstadt, in San Francisco oder Stockholm vietnamesisch oder mexikanisch, italienisch oder chinesisch, französisch oder indisch essen kann, streut auch der kulturelle Weltmarkt ein scheinbar bodenloses Füllhorn vor uns aus, dergestalt, daß oft das Angebot die Nachfrage zu übertreffen droht. Die Konzertagenturen trumpfen mit Orchestern und Solisten aus aller Welt auf, Kunstausstellungen wandern über die Kontinente, es jagen einander Festivals und Symposien aller Art. Die Frankfurter Buchmesse beweist Jahr für Jahr, daß das literarische Import-Export-Geschäft Zuwachsraten aufweist, von denen andere Branchen nur träumen können. So gesehen erscheint die Globalisierung der Kultur als unaufhaltsamer, quasi naturwüchsiger Prozeß, der ganz unabhängig von den Wünschen der Urheber fortschreitet und keine Unterstützung braucht: Er läuft von selbst.

Groß und klein

So unendlich komplex der Weltmarkt, so einfach ist seine Logik. Ein deutscher Jude, dessen Schriften aus der Mode gekommen sind, hat sie schon vor hundertfünfzig Jahren beschrieben: Es geht um die Reproduktion des Kapitals, „auf erweiterter Stufenleiter“. Im Sinne dieses Vewertungsprozesses ist die Kultur nichts weiter als eine Form der „Software“, die beliebig verfügbar gemacht werden muß. Immer größer werdende internationale Konzerne versuchen, die Kontrolle über dieses Rohmaterial zu erlangen. Das ist allerdings nicht ganz einfach, und so kommt es zu einer ganzen Reihe von Widersprüchen, Kompromissen und Friktionen.

Zum einen liegt es in der Natur der Sache, daß Medienkonzerne sich allen inhaltlichen Fragen gegenüber indifferent verhalten müssen. Die Substanz der „Software“ interessiert sie nicht, und Qualitätskriterien stören nur die Geschäfte. Ein erheblicher Teil der kulturellen Produktion kommt daher für die Konzerne gar nicht in Betracht; er ist auf andere Kreisläufe angewiesen, die zum Teil noch vorkapitalistischen Traditionen entstammen. Beispiele hierfür sind die europäischen Staats- und Stadttheater, die öffentlichen Museen, die vielfältigen Formen der Vereinskultur und so fort. Weitgehend abgekoppelt von den Kreisläufen des großen Kapitals haben solche eigentümlichen Subsysteme der Kultur in vielen Gesellschaften überlebt, auch wenn sie immer mehr unter Druck geraten. Die öffentlichen Subventionen nehmen tendenziell ab. Private Stiftungen können die Einbußen nur teilweise wettmachen. Auch die Tatsache, daß manche Großunternehmen winzige Teile ihres Werbebudgets abzweigen, um kulturelle Produktionen zu fördern, die sie wegen zu geringer Renditeaussichten nie in eigener Regie verwerten würden, dürfte die Subsysteme der Literatur, der Musik, des Theaters usw. kaum stabilisieren; sie kann sogar zu weiteren Gleichgewichtsstörungen führen.

Der entwickelte Weltmarkt bringt im Binnenverhältnis ebenso wie im internationalen Austausch eine Reihe von Asymmetrien mit sich. Kulturelle Güter sind, historisch gesehen, fast immer im kleinen Maßstab produziert worden: am Schreibtisch, im Atelier, auf der Bühne, im Konzertsaal. Das gilt vermutlich auch heute noch. Während für ein neues Automodell Entwicklungskosten in Milliardenhöhe anfallen, kostet die Entfaltung eines philosophischen Gedankens höchstens ein paar hunderttausend Mark. Gedichte sind noch wesentlich billiger zu haben.

Es leuchtet ein, daß sich das globale Kapital mit solchen Bagatellen nicht abgeben kann. Es sind daher winzige Unternehmen, die für die kulturelle Produktion sorgen: Die entscheidenden Autoren der letzten Jahrzehnte sind überwiegend von Kleinverlagen entdeckt worden, und auch auf anderen Gebieten spielen kapitalschwache und lokale Marktteilnehmer eine ausschlaggebende Rolle, Liliputaner, die der unmittelbaren Konkurrenz von Giganten ausgesetzt sind.

„Nicht nur Kröte und Seeadler bedürfen eines minimalen Schutzes, sondern auch Filme, Bilder Dichtungen… Allerdings – bisher ist keine grüne Partei auf die Idee gekommen, daß es auch eine Ökologie der Kultur gibt. “

Das gilt in extremem Maß für Medien wie den Film und das Musiktheater, deren Produktionskosten besonders hoch sind. Dementsprechend gering sind hier die Chancen des Außenseiters, und dementsprechend hoch ist der Grad der Monopolisierung. Je mehr ein Film kostet, desto interessanter ist er für die Konzerne. In der amerikanischen Filmindustrie gelten 30 Millionen Dollar als ein bescheidenes Budget. Damit können Produktionen aus anderen Ländern nicht mehr konkurrieren.

Im internationalen Maßstab ist der ungleiche Tausch auch in der Kultur zur Norm geworden. Das bekommen kleinere Länder und Sprachgemeinschaften immer stärker zu spüren. Ihre Chancen auf dem Weltmarkt nehmen ab. Im gleichen Maß nimmt der Importdruck zu. Auch hier spielen Qualitätsfragen keine Rolle. Im substantiellen Sinn gibt es natürlich überhaupt keine „kleinen“ und „großen“ Kulturen. Es ist durchaus denkbar, daß, um nur ein Beispiel zu nennen, ein Drei- oder ein Fünfmillionenvolk ein oder zwei Jahrzehnte lang die wichtigsten Werke der dramatischen Weltliteratur hervorbringt, während weit größere Gesellschaften in derselben Zeit nichts Nennenswertes zu bieten haben (so geschehen in Norwegen und Schweden vor ungefähr hundert Jahren).

Zur Verteidigung der Ketzerei

Es ist leicht, und es kostet nichts, die Defizite des kulturellen Weltmarkts zu beklagen, sich über seine Tendenz zur Konzentration zu ärgern und eine Zukunft an die Wand zu malen, in der die Artefakte, die wir bisher unter dem Namen der Künste kannten, nach Art der Hamburger-Ketten hergestellt und vertrieben werden. Ein bißchen schwerer dürfte die Antwort auf die alte Leninsche Frage „Was tun?“ fallen.

Denn sobald die Theorie in Praxis überzugehen droht, schallen einem massive Einwände entgegen. Soll etwa der Staat die Kuratel über die Kultur übernehmen? Ist er nicht der schlechteste Vormund, der sich denken läßt? Und wie ist das mit den öffentlichen Geldern? Mit welchem Recht sollen sie einer Minderheit zugute kommen, die an einer Kultur interessiert ist, die schon deshalb als elitär gilt, weil die meisten unserer Mitbürger ihr die Seifenoper, den Fußball und die Talkshows vorziehen? Und überhaupt – macht sich, wer etwas gegen den Automatismus des Weltmarkts einzuwenden hat, nicht der größten ökonomischen Todsünde schuldig? Soll hier gar dem Protektionismus das Wort geredet werden? Für die herrschende Lehre käme das einer schweren Ketzerei gleich; denn bekanntlich ist an die Stelle des Dogmas von der Unfehlbarkeit des Papstes ein anderes getreten: Unfehlbar ist, jedenfalls für die eingeweihten Kreise, nur noch der Markt.

Allerdings gibt es nach wie vor ein paar Randzonen, wo dieser Glaubenssatz sich nicht ganz hat durchsetzen lassen. Es gibt sogar, ein Skandal in den Augen aller Weltökonomen, geschützte Pflanzen- und Tierarten. So könnte es dazu kommen, daß auch auf dem Gebiet der Kultur Stimmen laut werden, die für die Sabotage des freien Marktes eintreten und die der Meinung sind, nicht nur Kröte und Seeadler bedurften eines minimalen Schutzes, sondern auch Filme, Bilder Dichtungen… Allerdings – bisher ist keine grüne Partei auf die Idee gekommen, daß es auch eine Ökologie der Kultur gibt, die ebenso komplex, ebenso wenig erforscht und ebenso prekär ist wie die der Biosphäre.

Das indische Panzernashorn, vom Aussterben bedroht, schreibt keine Leserbriefe. Gefährdete Pflanzen sind stumm, sie haben andere, die für sie sprechen und sie verteidigen. Dagegen die Künstler, Dichter, Musiker, Theaterleute -sie waren nie auf den Mund gefallen! Mit ihren Klagen, ihren Forderungen, um nicht zu sagen ihrer Bettelei sind sie der Mitwelt schon immer auf die Nerven gegangen. Nie, so scheint es, werden sie hineichend geschätzt, und jedesmal, wenn der Rotstift ange setzt wird, hagelt es Proteste. Moralisch sind sie schon dadurch im Nachteil, daß sie in eigener Sache sprechen; sie erscheinen so als eine von zahllosen Interessentengruppen, die mit Zähnen und Klauen eigene Besitzstände zu erweitern oder zu verteidigen suchen. Einen anmutigen Anblick bieten sie damit nicht.

Wer heute eine Berufswahl trifft, dem bleibt es nicht erspart, sich mit den Aussichten vertraut zu machen, die der Arbeitsmarkt eröffnet. Von Leuten, die auf dem Gebiet der Kultur arbeiten wollen, sollte man erwarten dürfen, daß sie intelligent genug sind, um sich mit den ökonomischen Verhältnissen bekanntzumachen, die auf diesem Feld herrschen. Statt dessen geben sich die meisten Illusionen hin. Mindestens drei Viertel derer, die sich Schauspieler nennen, sind arbeitslos. Die meisten Filmemacher finden nie das Geld, das nötig wäre, um ihre Projekte zu verwirklichen. Wer sich einbildet, er könne von Lyrik leben, muß verrückt sein. Und so weiter. Der Kulturbetrieb ist kein sozialer Naturschutzpark. Wer an Sicherheit und an einem ordentlichen Auskommen interessiert ist, sollte sich nach anderen Berufen umsehen. Die Tatsache, daß jemand malt, schreibt, musiziert, tanzt, auf die Bühne tritt, gibt ihm keinerlei Anrecht darauf, daß die Gesellschaft ihn durchfüttert.

Umgekehrt wird ein Schuh daraus

Daß die Kultur institutionell geschützt und gefordert werden soll durch den Staat, durch die Gemeinden, durch Stiftungen –, diese Forderung steht auf schwachen Füßen, wenn sie nur durch die Interessen einer Berufsgruppe begründet wird. Was dabei auf dem Spiel steht, sind nämlich nicht nur und nicht einmal in erster Linie die Rechte der Produzenten, sondern die Rechte der Adressaten.

Das System der öffentlichen Bibliotheken zum Beispiel ist nicht für die Schriftsteller, sondern für die Leser da. Ein städtisches Theater dient nicht der Erhaltung von Arbeitsplätzen für das künstlerische Personal, es dient dem Publikum. Die Verantwortung des Staates liegt nicht primär darin; Komponisten oder Bildhauer zu versorgen. Die öffentliche Hand haftet jedoch für die Aufrechterhaltung der kulturellen Infrastruktur.

Insofern ist der Staat weder Vormund noch Mäzen. Er ist der Installateur der Kultur. Er hat gewissermaßen dafür zu sorgen, daß die Wasserleitung und die Kanalisation funktionieren -eine bescheidene, aber unentbehrliche Rolle. Als Gesetzgeber hat er sich, vornehmer ausgedrückt, um die Rahmenbedingungen zu kümmern: darum, daß ein vernünftiges Urheberrecht existiert; daß es im Medienbereich zu einem Minimum von Konzentrationskontrolle kommt; daß ein fester Ladenpreis dem Buchhandel das Überleben ermöglicht; daß die Kultur von unerträglichen Steuerlasten befreit wird. Diese Maßnahmen dienen keinem partikularen Einzelinteresse, sondern dem, was man einst das gemeine Wohl nannte. Sie sind unspektakulär, doch auf die Dauer wichtiger als jedes hochsubventionierte Festival und jede Jahrhundert- oder Jahrtausendfeier.

Damit sind nur die kulturpolitischen Prioritäten beschrieben. Wenn darüber hinaus ein paar Brosamen für die armen Künstler vom Tisch des Kapitals oder von der Tafel des Großen Rates abfallen, wird niemand etwas dagegen einzuwenden haben.

Allerdings hat auch solche Großzügigkeit ihre Tücken. Im deutschen Sprachraum gibt es ohne Zweifel mehr Literaturpreise als ernst zu nehmende Autoren. Auf die Gefahr hin, mögliche Mäzene zu verprellen, muß übrigens gesagt sein, daß die Produktionskosten eines Buches, bei einem mittleren Facharbeiterlohn und zwei Jahren Gestehungszeit, ungefähr bei 120000 Mark liegen dürften. Ein Literaturpreis in Höhe von 10 000 Mark ist dagegen gerade nur für eine kleine Urlaubsreise gut, ganz abgesehen davon, daß die Kosten für die Ausrichtung solcher Ereignisse die Preissumme oft bei weitem übersteigen. Umgekehrt gibt es auch Beispiele dafür, daß die Kulturforderung pathologische Folgen zeitigt. Jeder Kenner der Szene weiß, daß es eine gewisse Art von Stipendiatenkunst und Stipendiatenliteratur gibt, die den Betrachter melancholisch stimmen muß.

Ein anderer merkwürdiger Effekt der Subvention ist die epidemische Ausbreitung von Symposien, Podiumsgesprächen, Konferenzen und Tagungen, die sich allesamt mit kulturellen Fragen beschäftigen. Dabei werden meist Themen abgehandelt, die bereits bis zum Überdruß diskutiert worden sind, wohl weil den Veranstaltern nichts Besseres einfällt. Man kann sich fragen, ob diese Betriebsamkeit nicht eher dem Hotelgewerbe und den Fluggesellschaften als der Kultur zugute kommen soll. Jedenfalls verschlingen solche Pseudo-Ereignisse ungeheure Summen.

Als allgemeine Regel scheint zu gelten, daß es nie an Geld fehlt, wo es um Repräsentation geht. Gespart wird immer an dem, worauf es ankommt, nämlich an der produktiven Tätigkeit, die sich dort abspielt, wo keine Fernsehkamera zugegen ist.

Innen und außen

Das alles gilt für die äußere ebenso wie für die innere Kulturpolitik. Auch hier kommt es nicht auf die großen Gesten an, sondern auf die unscheinbare, langfristige Arbeit. Natürlich kann man mit Millionenaufwand durch große Ausstellungen, Operngastspiele, Stardirigenten Schlagzeilen machen, aber daß das nachhaltige Wirkungen zeitigt, kann man bezweifeln. Dagegen lassen sich mit weit geringerem Aufwand, von den Medien unbeachtet, die Bedingungen für Übersetzer verbessern. Auch hierfür gibt es Beispiele, etwa in den Niederlanden und in Skandinavien.

Wer den stillen Kulturaustausch aus der Nähe kennt, der weiß, daß es dabei oft auf eine kleine Zahl von Personen ankommt. Wer weiß in Deutschland etwas über finnische Musik? Wer kann in Bulgarien ein Buch aus der französischsprachigen Schweiz übersetzen? Es sind kleine, empfindliche Netzwerke, die für solche Verbindungen sorgen, und sie werden von wenigen, meist sehr passionierten Leuten getragen. In sie zu investieren, ist bei weitem klüger, als den nächsten Kongreß zum Thema „Europa im Jahre 2000“ zu organisieren. Der Reiz solcher informeller Strukturen liegt nicht zuletzt in der Gegenseitigkeit. Die Zeiten, in denen Auswärtige Kulturpolitik als Einbahnstraße gesehen wurde, sind ja glücklicherweise vorbei, auch wenn es immer noch Funktionäre gibt, die das Ganze als Exportgeschäft betrachten.

Natürlich machen sich auch, wo es um Kulturpolitik im Ausland geht, strukturelle Ungleichgewichte und Asymmetrien geltend. Die Deutschen leisten sich an die 150 Goethe-Institute in aller Welt, die Franzosen glänzen mit ihrem Institut Francais, die Briten versuchen, mit dem British Council den Anschluß zu halten. Andere Länder treten mit bescheideneren Mitteln auf. Große Nationen wie Rußland, China oder Brasilien spielen auf der Bühne des internationalen Kulturaustauschs allenfalls eine passive Rolle.

Kleinere Länder haben es ohnehin schwer mitzuhalten. Nicht immer sind ökonomische Gründe ausschlaggebend. Für Zurückhaltung oder gar Mißtrauen sind auch Mentalitätsunterschiede und politische Traditionen verantwortlich. Die Vereinigten Staaten folgen der Doktrin der Privatisierung. Dem Staat wird tendenziell jede kulturelle Kompetenz abgesprochen. Immer mehr Amerika-Häuser müssen schließen.

Schwächlich stellt sich in diesem Zusammenhang auch die Europäische Union dar. Der Umstand, daß sie von Anfang an als Wirtschaftskartell konzipiert war, sorgt nicht nur für schwerwiegende demokratische Defizite; er macht sie auch kulturpolitisch so gut wie handlungsunfähig. Im Budget der Union sind für kulturelle Zwecke allenfalls Zehntelpromilleanteile vorgesehen, und die werden größtenteils für Prestigeunternehmungen ausgegeben.

Daß es keine nennenswerte europäische Kulturpolitik gibt, ist allerdings nicht allein der Brüsseler Bürokratie anzulasten. Es liegt auch in der Sache selbst; denn die europäische Kultur gibt es nur im Plural, und vermutlich ist der Eigensinn, der sich hierin ausdrückt, sogar das Beste an ihr. Jeder Versuch, sie zu vereinheitlichen, wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Die Lösung, wenn es denn eine gibt, kann nur in einer ebenso intensiven wie flexiblen Kooperation zwischen den vielen Teilnehmern am europäischen Spiel liegen.

„Europäische Kultur gibt es nur im Plural.“

Auf die Dauer ist es nicht sehr sinnvoll, wenn die größeren und reicheren Nationalstaaten, jeder für sich, in Nairobi, Seoul oder Buenos Aires Kulturinstitute errichten. Das ist nicht nur teuer, es führt auch zu überflüssigen Rivalitäten. Viel vernünftiger wäre es, in allen Kapitalen so etwas wie ein Europa-Haus einzurichten: die Deutschen, die Franzosen, die Italiener, die Spanier, die Briten – alle unter einem Dach. Jeder der Beteiligten könnte souverän über sein eigenes Programm entscheiden. Von Fall zu Fall, je nach der Interessenlage, ließe sich etwas Gemeinsames machen. Die Kosten der Infrastruktur, Mieten, Personalkosten, Fuhrpark, ließen sich teilen. Vielleicht könnte man sich sogar auf eine gemeinsame Bibliothek (und Mediathek) einigen. Dabei kämen höchstens die nationalen Eitelkeiten zu kurz. Dem Publikum aber wäre gedient; die Anziehungskraft würde sich steigern, und die Kosten würden sinken.

Vor allem aber würde sich mit einer solchen Lösung auch kleineren oder ärmeren Ländern die Möglichkeit eröffnen, in vielen Teilen der Welt kulturpolitisch aktiv zu werden: und wenn es nur zwei Zimmer wären, in denen die Ungarn und die Polen, die Norweger und die Griechen zeigen könnten, was sie zu bieten haben, und Kenntnis davon nehmen, was die Welt ihnen zu bieten hat. Sogar die Schweiz, die nicht dafür bekannt ist, daß sie von Staats wegen viel für die Auswärtige Kulturpolitik übrig hat, könnte sich, und sei es mit Hilfe von Stiftungen, im Europa-Haus der Zukunft einnisten, und es leidet keinen Zweifel, daß sie willkommen wäre.

Merkspruch für Politiker

Bei der Beschaffung von Kampfflugzeugen, bei der HGt Raumfahrt, bei der Planung von Alpen-Transversalen: Überall stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von Aufwand und Ertrag. Nirgends ist es günstiger als auf dem Feld der Kultur. Nur keine Angst! Das ist nicht so teuer, wie man denkt. Man muß es nur richtig machen.

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