Krautzone: Deutschlands libertärstes, reaktionärstes und heterofamilienfreundlichstes Meinungsmagazin

Zeitschriftenkritik von Werner Olles

Krautzone: Deutschlands libertärstes, reaktionärstes und heterofamilienfreundlichstes Meinungsmagazin

Die aktuelle Ausgabe (Nr. 35, Okt./Nov. 2023) der zweimonatlich erscheinenden „Krautzone“ befaßt sich in ihrem Schwerpunktthema mit dem „Höhenflug der AfD“. Die Angriffe der Altparteien würden wirkungsloser und vorhersehbarer, konstatieren die beiden Chefredakteure Florian Müller und Hannes Plenge in ihrem Vorwort. Programmatisch könne man die Partei in vielen Bereichen gar nicht mehr stellen, die sie als einzige lösungsorientierte und ideologiefreie Ansätze biete: Sichere Energieversorgung, konsequente Einwanderungspolitik statt unkontrollierter Zuwanderung, Familie statt KITA, Bildung statt Indoktrination, Schluß mit der Propagierung der unsinnigen LGTBIQ- und Gender-Projekte. Hinzufügen könnte man noch die Rücknahme der allein die deutschen Bürger und den Mittelstand schädigenden Sanktionen gegen die Russische Föderation und die Waffenlieferungen an die „lupenrein demokratische Ukraine“.

Daß sich die AfD personell und inhaltlich vom freien Markt entfernt habe, wie ebenfalls im Editorial kritisch angemerkt wird, erschließt sich dem Rezensenten nicht. Von der erfolgreichen sozialen Marktwirtschaft hat sich vielmehr der neoliberal-globalistische Stakeholder-Kapitalismus meilenweit entfernt, und die Aussage, ein Mindestlohn sei „offen sozialistisch“ erscheint recht weit hergeholt. Das Argument, der wirtschaftsliberale Flügel habe in den vergangenen Jahren oft schlucken müssen, und Libertäre seien daher der Wahlurne fernblieben ist völlig unbewiesen, zumal die Wahlergebnisse klar dagegensprechen. Mit Recht weist Plenge daher auf das Versagen der Linkspartei in der Sozialpolitik für deutsche Staatsbürger hin, und daß hier eine sperrangelweit offenstehende Leerstelle entstanden ist. Tatsächlich geht es dabei überhaupt nicht um Ideologie, auch nicht um eine libertäre, sondern schlichtweg darum, daß Deutschland im Sinne von Bismarck zur Normalität eines starken Staates zurückkehrt. Natürlich ist eine „Melonisierung“ wie in Italien nie gänzlich auszuschließen, aber letztlich geht es doch vor allem darum, „daß unsere Kinder nicht die Stiefel von Migranten lecken müssen“ (Florian Müller).

Alice Weidel plädiert im Interview für eine Absenkung des sogenannten Bürgergeldes, das Menschen, die nie etwas eingezahlt hätten, nicht zustehe und zudem besonders in der Migrationspolitik falsche Anreize setze. Einen Widerspruch zwischen Libertären und Sozialpatrioten vermag sie nicht zu erkennen und weist auf die völlige Normalität unterschiedlicher Lager in einer Partei hin, die um Themen ringe, die dann vom Parteitag entschieden würden. Sinnvoll wäre nach ihrer Meinung eine massive Verkleinerung des Bundestages um die Hälfte, eine Zusammenstreichung der Budgets und „die Überführung der unsäglichen Politikerpensionen in die allgemeine Pensionsversicherung“. Forderungen, die auch der Steuerzahlerbund seit langem vertritt.

Ferdericus Vesargo befaßt sich ausführlich und kenntnisreich mit der Geschichte der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP), die zeitweilig als wichtigste konservative Kraft der Weimarer Republik galt. Protestantisch geprägt repräsentierte sie nach dem Ende des Ersten Weltkriegs vor allem Monarchisten, konservative Beamte, ostelbische Junker, Großbauern und Teile der Schwerindustrie. Während sie sich Mitte der 1920er Jahre an verschiedenen Regierungen auf Landes- und Reichsebene beteiligte, übernahm nach der Reichstagswahl 1928 und der Weltwirtschaftskrise Alfred Hugenberg (1865-1951) die Führung und brachte die Partei wieder auf einen republik- und systemfeindlichen Kurs. Zu Weimar und zur NSDAP hatte die DNVP ein gleichermaßen ambivalentes Verhältnis, doch in den letzten Jahren vor der Machtergreifung begann sie häufig mit den National-Sozialisten zu kooperieren. Zwar empfanden viele ihrer Mitglieder diese als zu „proletarisch“, dennoch stellte Hugenberg selbst im Kabinett Hitler einen Ministerposten. Andererseits hatten jedoch auch etliche Mitglieder aus dem Umkreis der DNVP Kontakte zum konservativ-reaktionären Widerstand gegen den NS. Nach 1933 versank die Partei in der Bedeutungslosigkeit und löste sich im Juni 1933 schließlich auf. Die wenigen verbliebenen Abgeordneten schlossen sich der NSDAP an.

Weitere Beiträge beschäftigen sich mit der „Parteigründerin Sahra Wagenknecht“ (Maximilian Kneller), der Begründerin der Queer-Theorie Judith Butler und mit der „Konrad-Adenauer-Stiftung“ (Reinhild Boßdorf).

Kontakt: Blutdruck Verlag. Oberstr. 3, 47829 Krefeld. Das Einzelheft kostet 6,90 Euro, das Jahresabo 44,90 Euro. http://www.kraut-zone.de

Nachfolgend finden Sie die aktuelle Druckausgabe der Zeitschrift wir selbst:

Die beiden Druckausgaben des Jahres 2022 unserer Zeitschrift sind auch noch erhältlich:

Ein Kommentar zu “Krautzone: Deutschlands libertärstes, reaktionärstes und heterofamilienfreundlichstes Meinungsmagazin

  1. Befinde mich zwar als Boomer nicht in der unmittelbaren Zielgruppe der Krautzone, wohl eher im Beuteraster, aber Stil, Aufmachung und viele Themen holen mich komplett ab.
    Hab schon überlegt, ein Kaiser-Abo abzuschließen, nur um das Recht zu erwerben, am Redaktionsbesäufnis teilzunehmen…

    Gruß
    H. Brink

    Like

Hinterlasse einen Kommentar