Zeitschriftenkritik: CRISIS – „Kinder – Jugend – Familie“

von Werner Olles

Zeitschriftenkritik: CRISIS – „Kinder – Jugend – Familie“

CRISIS, das „Journal für christliche Kultur“, widmet sich in seiner aktuellen Ausgabe (Winter 2022/23) dem Themenkomplex „Kinder – Jugend – Familie“. Woher die Raserei und Unerbittlichkeit kommt, mit der die Zerstörer traditioneller Werte vorgehen, beantwortet die Redaktion in ihrem Vorwort: „Für den Krieg gegen Archetypen braucht es enorme Gewalt!“ In den okzidentalen Gesellschaften sei die Zerstörung bereits eingetreten und damit unsere Lebenskraft als Gesellschaft fatal untergraben.

Peter Backfisch, Dipl.-Pädagoge und viele Jahre Vorstandsreferent bei einer NGO in der Sozialwirtschaft, erklärt in seinem Erfahrungsbericht „Jugend in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche“, warum die Moderne keine Antworten auf die Lebensfragen junger Menschen in der westlichen Welt und verstärkt in Deutschland hat. Materialismus, Konsumismus, Hedonismus und Entchristlichung führten dazu, den Menschen blind, geistlos und gleichgültig zu machen. Dies gehe einher mit einer Selbstzerstörung, die nur mit einer Rückbesinnung auf die Werte, die Europa groß gemacht hätten, verhindert werden könnte. Scharf kritisiert er die „falschen Antworten der großen Amtskirchen“, während diese sich gleichzeitig zu Tode reformierten. Der Autor plädiert für einen Blick auf die Orthodoxe Kirche als Wegweiser der Orientierung in einer gottlosen Welt, für die Stärkung familiärer Bindungen und fester Prinzipien, um sich den Lügen und Manipulationen des Mainstreams widersetzen zu können und Gegenstrategien zu entwickeln.

Erzpriester André Sikojew befaßt sich in seinem Beitrag „Transhumanismus, Globalismus und Ökologismus“ ebenfalls mit dem „Krieg gegen Ehe, Kinder und Familie“. Von Anbeginn der Schöpfung seien Familien diesem Angriff ausgesetzt gewesen, beginnend mit dem Verrat von Adam und Eva und dem Brudermord Kains. Der letzte dieser Kriege formiere sich im 21. Jahrhundert in der Ideologie und Praxis des Transhumanismus. Er sieht eine „neue globale Sklavenhaltergesellschaft“ entstehen, die die totalitäre Herrschaft des Postkapitalismus symbolisiere: „Die Utopie des Transhumanismus ist der Mensch als Wegwerf-Taschentuch, gekauft, benutzt, entsorgt“. Dennoch müßten wir angesichts dieses zutiefst abstoßenden Wirtschaftsmodells nicht in Angst und Panik verfallen, sondern seien aufgerufen, „neue Gemeinschaften zu gründen, Familien, Gemeinden, Kirchen zu bauen und Bewährtes zu schützen.

Während der Biophysiker Virgiliu Georghe die Rettung unserer Familien als wichtigste Aufgabe versteht, nachdem diese als „untergehende Lebensform“ (Beile Ratut) seit geraumer Zeit unter starkem Beschuß stehen, beschäftigt sich der Germanist Benjamin Kaiser mit der „Volksdroge Porno“, die zum Scheitern von Ehen, mangelnder Bindungsfähigkeit, Vereinsamung und Depression führe. Denn selbstverständlich hat auch diese Schattenzeit nach der Zeit der Moderne ihre eigene systemimmanente, zeitgeistkonforme Sexualität hervorgebracht, die sich aber gerade in ihrer pornographischen Variante als eine üble Mischung aus Selbstbetrug und ordinär-abgründiger Wegwerf- und Beliebigkeitsmentalität erweist, die mit erfüllter Liebe aber auch nicht mehr das geringste zu tun hat. Ein Milliardengeschäft, das als vulgäres Ornament eines warenästhetischen Oberflächenhedonismus die von Gott uns anvertraute menschliche Sexualität zum billigen Lifestyle-Sex inflationiert, den inzwischen bereits Grundschüler in den Pausen auf dem Schulhof konsumieren. Man kann dies als sozialästhetischen Tabubruch bezeichnen, aber in Wahrheit kommen hier sämtliche Weiblichkeitsklischees zum Ausdruck, und es ist leicht erkennbar, daß der tabubrecherische Akt vor allem eins bewirkt: die Transformation von echter Liebe und hingebend-verantwortungsvoller Sexualität in eine besonders widerliche Art Werbespot und Käufer-Produkt-Beziehung, die nicht nur in die untersten hedonistischen Niederungen des Liberal-Kapitalismus führt, sondern auch seelenvergiftende Wahnvorstellungen evoziert, deren letztliche Unverbindlichkeit Persönlichkeitsattrappen mit einem ungeheuren Illusionspotential hervorbringt, wie es der Individualanarchismus schon im 19. Jahrhundert mit Max Stirners „Mir geht nichts über mich“ vorgedacht hat. In der kapitalistischen Durchsetzungsgeschichte hat sich aus einer damals bizarren Ideologie, die nur im Randgruppenmilieu einer pseudointellektuellen Boheme gedeihen konnte, dieser Typus über viele Stationen hinweg bis zu seiner Vulgarisierung und Vermassung im Neo-Liberalismus weiterentwickelt. Zwar gibt es nach Adorno kein richtiges Leben im falschen, doch dank der „Volksdroge Porno“ hat die Beliebigkeit des dezentrierten Subjekts bereits die Grenze zur absoluten Liebes- und Beziehungsunfähigkeit überschritten und damit jeden Maßstab verloren. Worte, die früher eine Bedeutung hatten – „Ich liebe Dich!“ – werden zu bedeutungslosen Zeichen, mit denen man spielen kann. Soziale und menschliche Bindungsunfähigkeit heißt nichts anderes als eine Ware auf zwei Beinen zu sein. Der Begriff der „lebenden Ware“ ist in der Pornographie keine Metapher, sondern durchaus wörtlich zu nehmen: Es ist die offen und schamlos massenhaft zur Schau gestellte Willenlosigkeit einer Selbstinszenierung von zu Idioten der Warengesellschaft degradierten Individuen, die auf dem äußersten Punkt des Schwachsinns angekommen sind. Weil alles geht, geht am Ende gar nichts mehr, nicht einmal der Sex, denn die narzißtische Dummheit ist vor allem zu einem unfähig, nämlich zur Intimität. Porno und verwandte Erscheinungen sind nur besonders signifikante Beispiele dafür, wie die liberale Konstitution der Moderne auf der Ebene der Persönlichkeit zusammenbricht. Daß es dennoch gelingt, die gesellschaftlichen Ursprünge des Leidens zu verschleiern, macht aus dem Pornofreak quasi einen Persönlichkeitsbrei, der nur noch vor sich hin blubbert, und dessen erotisches Elend und Unfähigkeit zu echter Intimität nur noch in immer absurderen medialen Situationen kurzfristig Befriedigung findet, deren Erbärmlichkeit und trostlose, entsinnlichte Einsamkeit nicht mehr kaschiert werden kann. Daß Porno heute bereits vermasstes alltägliches Verhalten ist, bedeutet auch eine Haßliebe gegen den eigenen Körper, der ja ein Schöpfungsakt Gottes ist. Im Cyber-Sex hat der Transhumanismus jedoch bereits ein neues gesellschaftliches Beziehungssystem gefunden, daß die Realexistenz des Leidens in seinem Sinne erfolgversprechend verlängert.

Weitere Beiträge befassen sich unter anderem mit den „Europäischen „Werten“ und der „Resolution zu Ungarn“ (John Laughland), dem „christlichen Verständnis von Kultur“ (Erzpriester Dimitrij Kirijanow) und dem „170.Geburtstag von Wladimir Solowjew“ (Magdalena S. Gemehling). Ein Interview mit Gabriele Kuby und diverse Rezensionen vervollständigen das lesenswerte Heft.

Kontakt: CRISIS. Feldstr. 5, 47669 Wachtendonk. Einzelheft 9,50 Euro, Jahresabo 38 Euro. http://www.crisis-journal.de

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Werner Olles

Werner Olles

Werner Olles, Jahrgang 1942, war bis Anfang der 1980er Jahre in verschiedenen Organisationen der Neuen Linken (SDS, Rote Panther, Jusos) politisch aktiv. Nach grundsätzlichen Differenzen mit der Linken Konversion zum Konservativismus und traditionalistischen Katholizismus sowie rege publizistische Tätigkeit in Zeitungen und Zeitschriften dieses Spektrums. Bis zu seiner Pensionierung Angestellter in der Bibliothek einer Fachhochschule, seither freier Publizist.

Autor der Bücher:

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Bestellungen: Grenzgänger des Geistes. Vergessene, verkannte und verfemte Schriftsteller des 20. Jahrhunderts.

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