Wenn der Putzer dreimal klingelt

Thor Kunkel

Wenn der Putzer dreimal klingelt

Die Wahrheit ist ein Monstrum, sobald ihr sie seht, seid ihr allein. Ich hatte mir diesen Gedanken mal vor vielen Jahren notiert. Er beschreibt ganz gut, wie sich ein Schriftsteller fühlt, der seine Berufung nicht erkennt, sondern erleidet. Es muss zutiefst verstörend sein – wegen einem einzigen Tweet seine Identität einzubüßen. Wegen einem Smiley, ein paar Sprüchen, die eher Mut machen sollten. Ich schreibe ganz bewusst vom Verlust der Identität, weil das Schreiben für Matthias Matussek, dem wohl besten Kulturkritiker Deutschlands, immer schon mehr war als nur ein prosaischer Broterwerb. Wäre es nur sein „Job“ gewesen, wie man in Dschermonie sagt, Armageddon, Matusseks neuer Roman wäre nie entstanden und der Autor würde noch immer an seinem Schreibtisch in Der Welt sitzen, – wohlbehalten in ideologische Watte gepackt, gehirntot, aber konform mit dem System, was bekanntlich auch seine Vorteile hat.

Glücklicherweise ist alles anders gekommen, vor allem für Matthias, der über all die Jahre zwar immer mal wieder Kostproben seines Talents als Erzähler aufblitzen ließ, doch nie die Zeit hatte, das zu Literatur zu verdichten, was man den Schrecken des Erwachens nennt und was die meisten großen Romane verbindet. Es ist nicht falsch zu behaupten Armageddon, Matusseks neuer Roman hat nicht nur einen völlig anderen Sound als Matusseks frühere verspielt-skurrilen Short-Story-Sammlungen Fifth Avenue und Showdown, sondern er ist auch ein anderes Kaliber, schwer einzuordnen und auf eine suggestive Weise verstörend: Was ist hier echt, was fiktiv? Man ahnt nach zehn Seiten, dass sich der gesunde Menschenverstand auf den Horror-Trip in ein Zwischenreich gefasst machen muss. Fallhöhe des Protagonisten und Spannungsbogen des Romans koinzidieren; nicht umsonst beginnt der Roman als Thriller und endet in der finalen Schlacht zwischen den Mächten des Himmels und der Hölle, frei nach der Apokalypse des Johannes. Ich darf sagen, Matthias Matussek ist mein Freund, ich kenne die Genese von Armageddon daher von Anfang an. Eine Rohfassung landete schon vor über einem Jahr in meiner MailBox, damals noch „Nazi auf der Party“ genannt und um einiges dichter an den realen Ereignissen, die Mathias inspirierten. Worum geht’s eigentlich? Rico Hausmann, Katholik, ehemaliger Starjournalist und nun als rechts verfemt, hat sich in ein Dorf an der Ostsee abgesetzt und sendet von dort im Internetradio »Kontrafunk« seine Polemiken gegen eine korrupte grünlinke Regierung, die ein »Klimaziel« zur erbärmlichen Ersatzreligion gemacht hat. Nun wird er gejagt vom „Putzer“, dem Antifa-Helden der G20Krawalle, dessen Riecher für „Rechte“ fast unheimlich ist. Auch Hausmann fürchtet um sein Leben – da ruft ihn ein beklemmender Einsatz nach Paris. Rico soll einer Freundin beim Selbstmord helfen und den Exitus der einstigen Geliebten medial feiern. Die Begegnung und den Verlust der Freundin bestärken Hausmann, dass die Kultur des Todes überall wuchert und blüht. Zurück in Deutschland muss er erkennen, dass der Tod nun erneut nach ihm greift… in Gestalt des irren Antifanten, der ihn beharrlich verfolgt! Die Herzenskälte, das tote Innenleben, die Seelenlosigkeit dieses Hass-Zombies ist meisterhaft stilisiert und an keiner Stelle des Romans langweilig. Der Sound von Armageddon ist irgendwo zwischen Pop, Punk und einer Lesung von Alan Ginsberg, – hart, schnell und kristallklar, wie man es eben von Matussek kennt. Ein mutiges, ein wichtiges Buch. Ich kann es nur allen empfehlen.

Thor Kunkel

Thor Kunkel, geboren 1963 in Frankfurt am Main, studierte bildende Kunst und arbeitete von 1985 bis 1992 für Werbung und Film. Für seinen ersten Roman „Das Schwarzlicht-Terrarium“ wurde er beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb mit dem Ernst-Willner-Preis ausgezeichnet. Sein nächster Roman „Endstufe“ über die Pornofilmindustrie im Dritten Reich löste eine heftige Debatte in den Feuilletons aus. Thor Kunkel hat außerdem mehrere Hörspiele geschrieben.

Biographisches auf der Thor Kunkels Internetseite (www.thor-kunkel.com)

Ich bin ein Mensch des Gleichgewichts. Ich lehne mich instinktiv nach links, wenn der Kahn rechts zu kentern droht – und umgekehrt. (THOMAS MANN, 1934, in einem  Brief an Karl Kerényi)

Naturphilosophie und Biologie, Andy Warhol und Stanley Kubrick, Pulp-Fiction und die Utopie des III. Reiches, Cargocult und gesellschaftskritische Dystopien  – sie bilden den intellektuellen Hintergrund Thor Kunkels, einer Ausnahmeerscheinung unter den Repräsentanten der neuen „rebellischen“ , von den Mainstream Medien ausgeblendeten deutschen Gegenkultur, die sich dem Konsens eines ideologisch manipulierten Weltbilds verweigert.

Der Schriftsteller galt Volker Weidermann, Feuilleton-Chef der FAS, bis 2004 als ein Hoffnungsträger der deutschen Gegenwartsliteratur.

Der Ernst-Willner-Preisträger wurde jahrelang von den Medien hofiert und vom Literaturbetrieb mit Stipendien gefördert. Das alles ändert sich schlagartig nach einer vom Spiegel lancierten Rufmord-Kampagne, die dem Autor – anhand eines von Kunkel verfassten Werkstattberichts „Revisionismus“ unterstellte. Was folgte war einer der heftigsten Literaturskandale der Gegenwart. Nie zuvor wurde ein Autor von den Medien dermaßen „hart, unerbittlich, um nicht zu sagen, gnadenlos“ (Volltext, 9/08) gejagt und beschimpft.

Dem 2004 von den Medien formulierten Kulturvorbehalt folgte die intellektuelle Ausbürgerung des Schriftstellers. Seine Romane werden demonstrativ von den Feuilletons, die sich als verlängerten Arm der Political Correctness verstehen, ignoriert oder nur schubweise rezensiert –, damit Kunkels erzählerisches Werk allmählich in Vergessenheit gerät. Die Vernichtung des Künstlers soll wie im Stalinismus durch gezieltes Verschweigen geschehen.

Schaut man sich Kunkels Bibliografie genauer an, stellt man allerdings fest, dass das Thema „III. Reich“ nur eines von vielen ist: Auch utopisch-technische Romane („Schaumschwester“), mit Herzblut geschriebene Noir-Krimis (“Kuhls Kosmos“) und eine beißende Gesellschaftskritik wie „Subs“ (verfilmt 2018 als HERRliche Zeiten von Oskar Roehler) belegen die Bandbreite dieses Autors, den manche Kritiker zu den besten Schriftstellern der jüngeren, deutschen Gegenwart zählen.

Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit arbeitet Thor Kunkel heute als Kreativ-Direktor einer Schweizer Werbe-Agentur, – eine „Industrietätigkeit“, wie er meint. Berufliche Stationen waren u. a. führende Agenturen wie Young & Rubicam, GGK London, Team BBDO, Scholz & Friends, Wunderman Cato Johnson und McCann-Erickson Amsterdam, wo er einige preisgekrönte Kampagnen entwarf. Nebenbei engagierte sich Kunkel immer wieder für humanitäre Hilfsorganisationen wie Mensen in Nood, die Stiftung „S.A.N.E. – A National Emergency“ und die niederländische SIRE – Stichting Ideele Reclame.

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