Frauke Brosius-Gersdorf, Abtreibung, Menschenwürde und eine moralisch desorientierte CDU

von Mirjam Lübke

Frauke Brosius-Gersdorf, Abtreibung, Menschenwürde und eine moralisch desorientierte CDU

Die SPD-Kandidatin für das Amt einer Verfassungsrichterin – Frauke Brosius-Gersdorf – sei von der CDU-Fraktion letztlich abgelehnt worden, weil ihre Haltung zum Thema Abtreibung »zu liberal sei« – so die »Tagesschau«. So kann man es natürlich umschreiben, aber dann müsste man auch einem Bankräuber eine »zu liberale Haltung« zu fremdem Geld konstatieren. Oder der Antifa selbige zu Körperverletzung und Brandstiftung: Durch Brosius-Gersdorf ist wieder einmal das Thema »Schwangerschaftsabbruch bis zum Moment der Geburt« aufgekommen. Das hatten wir schon einmal, nach dem Juso-Parteitag von 2018, als es dort sogar einigen Delegierten zu mulmig wurde. Selbst wer nicht jegliche Form der Abtreibung als Mord betrachtet, kann sich nur mit Grausen abwenden. Brosius-Gersdorf vertritt die Auffassung, die Menschenwürde trete erst nach der Geburt eines Kindes in Kraft – und das, obwohl sie aus einem politischen Milieu stammt, in dem »Moral« sonst sehr hochgehalten wird. Wie ist es um ein moralisches Empfinden bestellt, das den Gedanken, ein Kind in den letzten Momenten vor der Geburt noch töten zu dürfen, überhaupt aufkommen lässt?

Wenn man die öffentliche Debatte verfolgt, gibt es viel Empörung über »menschenverachtende Wortwahl«: Wer etwa anstatt von »demografischen Wandel« von »Umvolkung« spricht, oder »Remigration« statt »Rückführung sagt, sieht sich rasch den wüstesten Vorwürfen ausgesetzt. Das dient augenscheinlich der Ablenkung von den dahinterstehenden Themen, die im Kern unangetastet bleiben, während über Begriffe gestritten wird. Im Windschatten dieser Diskussionen allerdings wächst die Akzeptanz für ganz reale Gewalt, wenn etwa Katrin Göring-Eckardt »Maja T.« durch einen Besuch im ungarischen Gefängnis aufwertet. Immerhin hat »Maja T.« mit ihren linksextremistischen Freunden willkürlich mit einem Hammer auf Passanten eingeschlagen, die er für Teilnehmer einer »Nazi-Veranstaltung« hielt. In Deutschland hat seine Gesinnungsgenossin Lina Engel dafür vor Gericht viel Verständnis geerntet, weil ihre Motive für diese Lynchjustiz »ehrenhaft« gewesen seien. Treten wie also nach der Legitimierung von Mord an »Reichen« und »Nazis« jetzt in die nächste Eskalationsstufe ein, es darf getötet werden, was irgendjemandem einfach nur »lästig« ist? Darauf wurden wir von linken »Vordenkerinnen« ideologisch immerhin schon seit ein paar Jahren vorbereitet: Babys atmen CO2 aus und sind demzufolge schädlich für das Klima. Das betrifft, da sich dieser Appell nur an westliche Frauen richtet, offenbar auch nur westliche Babys und genügt als Legitimation, keine Kinder mehr zu bekommen – oder sich im letzten Moment gegen sie zu entscheiden.

Allerdings hat auch die CDU-Führung – wenn man sie denn noch zu den konservativen Kräften im Land zählen mag – kräftig mitgeschlafen, als es um die Nominierung der radikalen Richterin ging. Als Lockmittel diente wohl die Bereitschaft der Dame, ein Verbot der AfD mit durchsetzen zu wollen, da geriet alles andere in Vergessenheit, auch ihre rigorose Haltung zur Impfpflicht und ihre Pläne, das Neutralitätsgebot im öffentlichen Dienst aufzuheben, sprich, das Kopftuch für Richterinnen und Lehrerinnen zu erlauben. Diese Positionen waren schon Tage vor der angesetzten Wahl bekannt, vor allem in der Abtreibungsfrage liefen traditionell eingestellte Wähler bei ihren Abgeordneten Sturm und drohten mit Parteiaustritt. Wie üblich wurden diese Beschwerden als die Folge »rechter Medienhetze« abgetan. Erst als Friedrich Merz die Anfrage von Beatrix von Storch, ob er die rabiate Abtreibungspolitik von Brosius-Gersdorf guten Gewissens mittragen könne, mit einem rotzigen »Ja!« beantwortete, zogen seine Abgeordneten im allerletzten Moment die Notbremse und verweigerten Merz den Applaus. Ob das nun eine Gewissensentscheidung darstellte oder einfach dem Imageerhalt dienen sollte, bleibt unklar.

Die Frage, warum radikale Abtreibungsbefürworterinnen dermaßen eiskalt ticken, bleibt weiterhin unbeantwortet. Zur Erinnerung: Die ersten Feministinnen kämpften im 19. Jahrhundert gerade darum, ihre Kinder behalten zu dürfen. Im bürgerlichen und kleinadeligen Milieu verloren geschiedene Frauen – die ohnehin einen schweren Stand in der Gesellschaft hatten – nach der Trennung das Umgangsrecht mit ihrem Nachwuchs, dessen Erziehung nun ihrer Nachfolgerin oblag und durch den Ehemann bestimmt wurde. Kinder wurden auch als Druckmittel gegen »renitente« Ehefrauen eingesetzt, die sich in der Frauenbewegung engagierten oder einfach zu selbständig dachten – wenn sie nicht einlenkten, wurden ihnen die Kinder entzogen. Vor allem die französischen Suffragetten setzten sich, weitaus stärker als für das Wahlrecht, für die Rechte der Mütter ein. Ein solches Engagement kann man sich heute bei manchen Feministinnen kaum noch vorstellen, die sich die Entscheidung, ob sie Mutter werden wollen oder nicht, bis zum letzten Moment aufheben wollen. Ist der Wirkungskreis von Frauen heute tatsächlich noch so eingeschränkt, dass sie ausgerechnet gegenüber ungeborenen Kindern ihre Macht ausspielen wollen? Das wäre das ultimative »Nach-unten-Treten« und eine moralische Bankrotterklärung.

Auch das Argument der »Selbstbestimmung« zieht nicht – von dem hält Brosius-Gersdorf freilich auch nicht viel, wenn es etwa um die Durchsetzung einer allgemeinen Impfpflicht geht. Abtreibung ist inzwischen weitestgehend legitimiert, aber es gibt nun einmal einen gesellschaftlichen Konsens, eine möglichst frühe Entscheidung zu treffen und sich über Alternativen, etwa Hilfen für alleinstehende Mütter, zu informieren. Doch die verpflichtende Beratung fällt vielfach wenig engagiert aus, so, als seien die Beraterinnen gar nicht daran interessiert, gerade jungen Frauen und Mädchen Möglichkeiten aufzuzeigen, Kind und Beruf unter einen Hut zu bringen. Dennoch: Die meisten Frauen freuen sich auf ihr Kind, auch wenn es für sie erhebliche Umstellungen im Alltag bedeutet, trotz aller möglichen Hindernisse bauen sie schon vor der Geburt eine emotionale Bindung zu ihrem Baby auf.

Warum kommen die Rufe nach uneingeschränkter Abtreibung dann aber vorrangig aus Akademikerkreisen, die finanziell alle Möglichkeiten haben, die Kinderbetreuung in gute Hände zu legen? Es scheint, als ob ein Schwangerschaftsabbruch hier eine Lifestyle-Entscheidung darstellt, eine Erfahrung, die »frau mal gemacht haben muss«. Was nicht in den eigenen Lebensentwurf hineinpasst, wird einfach so »geregelt«.

Aber auch das erklärt noch nicht, warum es unbedingt ein Schwangerschaftsabbruch bis kurz vor der Geburt sein muss. Den medizinischen Eingriff dazu darf man sich in seiner Grausamkeit gar nicht ausmalen, bislang ist er nur gestattet, wenn das Leben der Mutter in akuter Gefahr ist. Die Medizin bringt heute schon kleinste Frühchen durch. Eine werdende Mutter, die kurz vor der Geburt steht, aber das Kind nicht behalten möchte, kann sich also problemlos entscheiden, es zur Adoption freizugeben und damit noch ein Paar glücklich zu machen, das keine eigenen Kinder bekommen kann. Zu diesem Zeitpunkt das Kind also noch töten zu wollen, spricht für eine unglaubliche Skrupellosigkeit und grenzenlosen Sadismus. Wenn eine Juristin so etwas befürwortet, darf man sich wohl zu Recht fragen, wie es um ihren moralischen Kompass steht, wenn es um andere, lebenswichtige Entscheidungen geht. Unser Gesellschaftsvertrag sieht vor, die Schwächsten in der Gemeinschaft in jedem Falle durch die Stärkeren schützen zu lassen. Das mag keine juristische Kategorie sein, hat sich aber für den Zusammenhalt bewährt, da es einerseits einen Kompass für die allgemeine ethische Verfasstheit der Gesellschaft darstellt, aber auch eine gewisse Garantie für jene abgibt, die durch bestimmte Lebensumstände selbst vom Starken zum Schwachen werden können. Emotionalität und Rationalität gehen dabei Hand in Hand wie bei einem spieltheoretischen Konzept.

Die Gesellschaft steuert darauf zu, »Befindlichkeiten« für schützenswerter zu halten als ihre eigenen Mitglieder. Bedenken gegen eine Unterstützerin dieser Entwicklung anzumelden, hat nichts mit »Frauenfeindlichkeit« zu tun, wie nun vielfach bei SPD und Grünen behauptet wird, denen offensichtlich nichts Besseres als dieses abgenutzte Argument eingefallen ist. Damit beugt man sich auch nicht dem »Rechtspopulismus«. Vielmehr ist es ein Aufbegehren gegen Willkür – und die können Frauen ebenso gut ausüben wie Männer.

(Startbild von Pixabay)

Mirjam Lübke ist Autorin, Bloggerin und Referentin der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag. Die studierte Historikerin ist ein sehr gesellschaftskritischer Charakter: Vormalig links eingeordnet, neigt sie seit einigen Jahren zu einer konservativ-rechten Haltung. Der rechtspopulistische Online-Blog ANSAGE beschreibt Lübke als „unheilbarer, wortreicher Facebook-Junkie und lebensbejahender Ausbreitungstyp“. Auf der Social Media-Plattform „Twitter“ bezeichnet sie sich selbst als „renitentes Höcke-Fangirl“. Sie hat bereits mehrere Bücher geschrieben, unter anderem das Buch „Schalom Björn! Bekenntnisse eines jüdischen Fangirls“, in welchem sie die investigative Eigenrecherche eines Einhorns skizziert und die deutsche Medienlandschaft und Gesellschaft kritisch unter die Lupe nimmt.

Hier finden Sie die Druckausgabe der Zeitschrift wir selbst, Nr. 55/1-2024:

Auch die folgenden Druckausgaben unserer Zeitschrift sind noch erhältlich:

Ein Kommentar zu “Frauke Brosius-Gersdorf, Abtreibung, Menschenwürde und eine moralisch desorientierte CDU

  1. Hier soll nun anläßlich dieser Causa ein prinzipielles Problem der Demokratie angesprochen werden:2 Wölfe und 1 Lamm entscheiden demokratisch, daß es zu Mittag einen Lammbraten geben wird. Diese Entscheidung ist demokratisch aber nicht rechtsstaatlich. Denn zum Rechtsstaat gehört konstitutiv, daß die Grundrechte des Menschen, etwa das Recht auf Leben bestimmten Menschen aberkannt werden dürfen. Die Demokratie limitiert sich so selbst, daß nicht über alles demokratisch abgestimmt werden kann. Der demokratische Einwand lautet nun, daß diese Selbstlimitierung der Demokratie selbst nur durch eine demokratische Entscheidung gesetzt worden ist und deswegen revozierbar sei. So fordern die Feministin schon von Anfang an, den Menschen, bevor sie geboren werden, das Grundrecht auf Leben abzuerkennen! Es wird somit demokratisch der Rechtsstaat ausgehebelt. Es muß festgehalten werden, daß nicht nur die SPD, die „Grünen“ und die „Linke“ sondern auch die Mehrheit der CDU/CDUler dem zustimmen wollten, ganz demokratisch einer Gruppe von Menschen die Menschenrechte abzusprechen: Das seien keine Menschen!

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