von Hanno Borchert
Erdbeeren in Burgunder: Ein Abend mit Harald Martenstein in den Räumen einer Studentenverbindung
Ernst Jünger, 1998 im Alter von 103 Jahren verstorben, zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern und Denkern des 20. Jahrhunderts. Werke wie „In Stahlgewittern“, „Strahlungen“, „Der Waldgang“ oder „Auf den Marmorklippen“ verbinden philosophische Tiefe mit sprachlicher Präzision. In Deutschland umstritten, genießt er in Frankreich und Italien hohe Anerkennung. Jüngers unabhängiger Geist und seine Fähigkeit, die Widersprüche seiner Zeit zu erfassen, machen ihn bis heute relevant.
Der 11. Ernst-Jünger-Abend „Erdbeeren in Burgunder“ lockte rund 60 Gäste – Schüler, Studenten, Unternehmer, ja Kulturinteressierte – in die Räume der Hamburger schlagenden Studentenverbindung der Landsmannschaft Mecklenburgia-Rostock. Die seit elf Jahren bestehende Vortragsreihe hat sich als konservativ-kulturelles Forum etabliert. Gäste wie Heimo Schwilk, Martin Mosebach oder Uwe Tellkamp waren bereits zu Gast, diesmal war es Harald Martenstein, der preisgekrönte Journalist und Kolumnist. Er las aus seinen Kolumnen und erzählte freimütig und humorvoll von seiner Jugend, darunter seine frühere DKP-Mitgliedschaft, gab jedoch zu, bislang keine direkte Beziehung zu Jünger und seinem Werk zu haben, aber das Format interessant zu finden.
Den Auftakt der Veranstaltung bildete ein Zitat aus Jüngers „Strahlungen“, die bertühmte „Burgunderszene: „»Alarme, Überfliegungen. Vom hohen Dache des Raphael sah ich zwei Mal in der Richtung von St. Germain gewaltige Sprengwolken aufsteigen, während Geschwader in großer Höhe davonflogen. Es handelt sich um Angriffe auf die Flußbrücken. Die Art und Aufeinanderfolge der gegen den Nachschub gerichteten Maßnahmen deutet auf einen feinen Kopf. Beim zweiten Mal, bei Sonnenuntergang, hielt ich ein Glas Burgunder, in dem Erdbeeren schwammen, in der Hand. Die Stadt mit ihren roten Kuppeln und Türmen lag in gewaltiger Schönheit, gleich einem Kelche, der zu tödlicher Befruchtung überflogen wird.“
Diese Zeilen, die Schönheit und Zerbrechlichkeit des Lebens einfangen, spiegelten die Atmosphäre des Abends wider – eine Verbindung von Geist und Genuß, begleitet von in Burgunder schwimmenden Erdbeeren.

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Martenstein analysierte mit scharfem Verstand und trockenem Humor Themen wie „Kontaktschuld“, „Cancel Culture“, „Wokeness“ und „politische Korrektheit“. Das Publikum folgte gebannt, lachte herzlich und tauschte sich im Anschluß lebhaft mit dem sehr sympathischen Gast aus. Martenstein signierte seine Bücher mit persönlicher Widmung, darunter „Es wird Nacht, Señorita“, das zu einem musikalischen Intermezzo inspirierte: Begleitet von Klaviermusik sang das Publikum gemeinsam mit ihm das gleichnamige Lied.
Draußen vor der Tür protestierte derweil eine kleine Gruppe sauertöpfischer Gestalten selbsternannter „Antifaschisten“. In der Nacht zuvor waren schon Farbbeutel gegen das Verbindungshaus geworfen worden. Wie treffend bemerkte doch Henryk M. Broder 2020: „Sagen wir, wie es ist: Der Antifaschismus ist der Faschismus des 21. Jahrhunderts.“ (Henryk M. Broder hat den Satz „Der Antifaschismus ist der Faschismus des 21. Jahrhunderts“ in einem Artikel in der Welt am 8. Juni 2020 geschrieben. Der Artikel trägt den Titel „Proteste in den USA: Die ‚Antifa‘ ist eine Mogelpackung“.)
Drinnen jedoch ließ sich niemand von den Ereignissen draußen beeindrucken, so daß der Abend zu einer langen und wunderschönen Kulturnacht wurde.

Hanno Borchert
Hanno Borchert, geb. 1959, Cuxhavener Jung von der Elbmündung. Schon in jungen Jahren wurde durch die Weltenbummelei (Südtirol, Balkan, Skandinavien, Indien, Iran, Indonesien u.a.) die Beigeisterung für die Sache der Völker geweckt.
Ausgebildeter Handwerkergeselle mit abgeschlossenem Studium der Wirtschaftswissenschaften. Bücherwurm seit Kindheitstagen an, musiziert und malt gerne und beschäftigt sich mit der Kunst des Graphik-Designs.
„Alter Herr“ der schlagenden Studentenverbindung „Landsmannschaft Mecklenburgia-Rostock im CC zu Hamburg“. Parteilos. Ist häufig auf Konzerten quer durch fast alle Genres unterwegs. Hört besonders gerne Bluegrass, Country, Blues und Irish Folk. Großer Fan des leider viel zu früh verstorbenen mitteldeutschen Liedermachers Gerhard Gundermann.
Redakteur der alten wie neuen „wir selbst“, zwischendurch Redakteur der „Volkslust“.
Hier finden Sie die Druckausgaben der Zeitschrift wir selbst, Nr. 55/1-2024 und 54/1-2023:
Die beiden Druckausgaben des Jahres 2022 unserer Zeitschrift sind auch noch erhältlich:





Das Broder-Zitat, immer und immer wieder bemüht, ist ideengeschichtlicher und terminologischer Unsinn. Der Antifaschismus ist kein „Faschismus“. Er steht ihm ideologisch auch nicht nahe. Der Antifaschismus ist zumeist linksextrem-anarchistisch begründet – wenn seine jeweiligen „Straßenkämpfer“ überhaupt jemals intellektuell imstande waren, Marx zu lesen. Man sollte diese Begriffe nicht durcheinanderbringen, nur weil es gerade gut in gesellschaftliche oder persönliche Stimmungen passt oder politische Reflexe bedient.
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Lieber Hanno Borchert,
das Broder-Zitat ist in der Tat mißverständlich. Man sollte lieber den italienischen Schriftsteller Ignazio Silone zitieren, der immerhin wußte, wovon er sprach: „Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Nein, er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus!“ Das trifft die Sachlage genauer.
Nichts für ungut!
Mit freundlichen Grüßen
Werner Olles
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