Gedanken von Birgit Burkhardt
Heimat… Heimatgefühle…
Mein „Heimatgefühl“ hat tatsächlich im Laufe der letzten Jahre erheblich nachgelassen, und so manchmal frage ich mich, ob dies eher an der „Heimat“ selbst liegt oder mehr an meiner eigenen Wahrnehmung!?
Ich erinnere mich: Wenn man früher nach längeren Auslandsaufenthalten zurück nach Deutschland kam, also beispielsweise mit dem Auto an der deutschen Grenze stand oder diese gerade passiert hatte, stellte sich wirklich jedes Mal ein heimisches, ein behagliches Gefühl ein: wieder zuhause!
Man schaute umher, schaute die Menschen an: Alles schien vertraut, überall meinte man bekannte Gesichter zu sehen, obwohl man natürlich die Personen nicht alle kannte.
Und immer, wenn ich mehrere Wochen von zuhause weg gewesen war, „roch“ es auch wieder heimisch – schon in jüngeren Jahren hatte ich das Gefühl, jedes Land habe eigene, unverwechselbare Gerüche, die man schon wenige Kilometer nach Passieren der Grenze bemerkte, womit ich natürlich nicht im Einzelnen deutlich wahrnehmbare Gerüche wie z.B. nach Olivenöl oder fish and chips oder Bratwürsten meine, sondern es ist mehr so ein allgemeines, aber charakteristisches Geruchsensemble…

Aber ich bin halt – nicht nur, aber auch – ein Geruchsmensch, habe sogar ein ausgeprägtes Geruchsgedächtnis: Bestimmte Gerüche erzeugen Assoziationen in mir und wecken manchmal uralte Erinnerungen.
Traf man als junger Mensch im fernen Ausland Deutsche, freute man sich normalerweise darüber, wobei ich hier nicht die üblichen Massen von Deutschen an den Badestränden meine, sondern einzelne Personen, Paare oder kleine Gruppen von Deutschen an Orten, wo man nicht unbedingt mit ihnen gerechnet hätte: 1974 war dies beispielsweise ein älterer Herr, ein Hanseat, auf dem Campingplatz in Lissabon, der sich ebenfalls riesig freute, mal wieder „echte“ Deutsche in Portugal zu sehen und uns junge Leute einlud, mit ihm die Stadt zu besichtigen, wo er geschäftlich mehrmals im Jahr zugange war.
Heute würde man sagen, er war ein Kolonialist nach alter Manier, ein Kapitalist durch und durch, und ein klein wenig störte uns als damals leicht links angehauchte Studenten, wie er die Lissabonner Armenviertel schnoddrig-hanseatisch kommentierte – aber das ist ein anderes Thema, und vielleicht war er auch tatsächlich, wie mein damaliger Freund meinte, ein leibhaftiger ehemaliger „Nazi“, der im vergangenen deutschen Großreich Karriere gemacht hatte…?!
Er hatte sich jedenfalls aufrichtig gefreut, junge Landsleute zu treffen, und wir haben zusammen gegessen und portugiesischen Wein getrunken und wunderbar fair diskutiert, auch wenn wir nicht in allem einer Meinung waren.
Oder damals, als wir in einem marokkanischen Dorf zwei leibhaftige Schwaben oder in einem israelischen Kibbuz ein bayerisches Pärchen trafen, die sich bei aller Begeisterung für das fremde Land aufrichtig freuten, gerade an diesen Orten deutsche Landsleute zu treffen!
Und heute? So ein ganz klein wenig geht man inzwischen seinen Landsleuten im Ausland schon aus dem Weg, möchte ich meinen, macht Urlaub lieber dort, wo`s eher weniger Deutsche gibt, oder bleibt gleich hier, im „eigenen“ Land, wo man sich eben ähnlich wie zuhause, ganz gezielt nur „mit seinesgleichen“ trifft und alles Massenhafte meidet, weil man sich ganz einfach mit den allermeisten nichts zu sagen hat, weil eine enorme Spaltung sowohl „von oben“ als auch durch die Gemüter der Einzelnen selbst inzwischen ganz ausgezeichnet funktioniert…
Und dass inzwischen so viele ins Ausland abhauen, kann ich – obwohl ich es eigentlich nicht gutheiße – mittlerweile ganz gut verstehen, aber: Auszuwandern halte ich nach wie vor für kontraproduktiv, denn auch die Auswanderungswelle ist zumindest einer der Sargnägel für unser einst wohlhabendes und weitgehend friedliches Land!
Und ich schwanke mal wieder zwischen einer gewissen Tendenz zur Gleichgültigkeit, ja sogar hin zum Ausruf, dieses Land sei unwiderruflich verloren – und einer leisen, aber doch stetig zunehmenden Trauer, denn hier haben wir unsere Wurzeln, hier lebten meine Vorfahren, und hier passieren inzwischen täglich die schrecklichsten Dinge – die Gewichte verschieben sich mittlerweile so erschreckend, dass ich mich wohl bald nicht mehr heimisch fühlen werde…
Als weiterführenden Beitrag empfehlen wir den Artikel von Wolfgang Dvorak-Stocker:
Die folgenden Druckausgaben unserer Zeitschrift sind noch erhältlich:
Die aktuelle Druckausgabe der Zeitschrift wir selbst, Nr. 55/1-2024:





Vor einigen Wochen brachen meine Frau und ich Richtung Litauen (richtig gesagt: zunächst einmal nach Memel) auf, um das dortige große Tanz- und Liederfest zu besuchen. Als unsere Fähre in Kiel den Hafen verließ, spürte ich fast so etwas wie Erleichterung: Wir ließen das Messerstecherland hinter uns und näherten uns einer (noch?) heilen Welt. Drei Wochen lang konnte man etwas abgeschirmt von schlechten Nachrichten Kraft tanken, um dann doch wieder in „sein“ Land zurückzukehren. Hier werden wir gebraucht!
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