Cem, auf dem Weg zur Gailtalerin auf der Sattelalm. Eine Politsatire

von Claudio Michele Mancini

Cem, auf dem Weg zur Gailtalerin auf der Sattelalm. Eine Politsatire

„Hollerödiljöö, wie schallt es von der Höh…,“ in den Kopf drängt sich der berühmte Songtext Der Watzmann ruft von Wolfgang Ambros, wenn sich „Türken-Cem“ im zünftigen Bayern-Outfit, knorrigem Schäferstock, Fernglas und Wanderstiefeln aufmacht zur 1.100 Meter hoch gelegenen Sattelalm. 

Hoch droben im Sudelfeld, dort warten Alm-Öhi, der Gaisenpeter und die Gailtalerin „mit den feurroten Unterröcken“. Dort, am umwölkten Gipfel will er die ultimativen, grünen Stimmen für seine Wahl sichern.

Man weiß nicht, ob man weinen oder lachen soll, wenn sich unser Landwirtschaftsminister Cem Özdemir mit einem zufälligen Schnappschuss und mit einem „Griasts euch“ an die Bauern seines Landes wendet, und ihnen zeigt, was er doch für ein „gstandenes Mannsbild“ ist. Das Foto soll den in sich ruhenden Politiker zeichnen, so, wie er wirklich ist. Einer, der mit sich und der schroffen Bergwelt eins ist, der selbstbewusst das bayerische Kulturerbe zu schätzen weiß, in dem das Leben früher von harter Arbeit und Entbehrungen geprägt war. Nur gut, dass er nicht auch den bayerischen Königsjodler ins Tal gejauchzt hat.

Copyright BMEL/Photothek

Man kanns ihm ansehen, diesem türkischen Louis Trenker, wie er gedankenverloren seinen Blick hinüber zum Wilden Kaiser schweifen lässt, wie er seine Lippen schürzt und andächtig murmelt: Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein. Im Hintergrund schemenhaft der Hochsitz, von dem er noch kurz zuvor den majestätischen Adlerflug beobachtet hat, der mit seinen weit ausgebreiteten Schwingen scharf an den schroffen Felskanten ruhig seine Kreise zog. 

Die Gemsen, Steinböcke und Murmeltiere stieben fluchtartig auseinander und suchen angesichts des gewaltigen Menschenauflaufs bei der inszenierten Bergerklimmung ihr Heil in der Flucht. Cem, ein grüner Influenzer in Topform, schmerzbefreit und abgezockt. Alter Falter…! Das ist Hardcore-Politik auf höchstem Niveau.

Eine perfekt inszenierte Suggestion, die mit der Symbiose von türkischer Tradition, bayerischer Heimatverbundenheit und anfassbarer Nähe den Menschen in unserer Republik den grünen Sinn des Lebens vermitteln soll. Cem, ein Kümmerer wie aus dem Bilderbuch. Der Besuch beim indigenen bayerischen Volksstamm auf einsamen Berghöhen verbreitet zwar eine gewisse Fraternisierungs-Penetranz – aber egal…! Jetzt kümmert sich Cem darum, medial aufgepeppt -, versteht sich -, dass die Magd oben in der „Hüttn“ in Zukunft keine fossilen Brennstoffe im Bollerofen verheizt. Bald wird auch dort eine Wärmepumpe schnurren.

Selbstredend ist der Tross von 32 hochbezahlten Fotografen und ein 5-köpfiges Kamerateam des BR, sowie die knapp 600 keuchenden Menschen im Schlepptau, die während der jährlichen Sattelalmbegehung in spektakulärer Bergkulisse die Abgeschiedenheit unberührter Landschaften aufsuchen, um dort den ganzheitlichen Sinn ihres Daseins zu erfassen. 

Gleich nach dem unschönen Empfang in Chieming, bei dem Cem und Katharina von wütenden, chiemgauer Ureinwohnern aus dem Festzelt gepfiffen wurden, machte sich Cem seiner grünen Mission folgend auf -, zeitgleich mit unserem Bayern-Kini Markus -, die steilen Pfade und über unwegsames Gelände die urige Sattelalm zu erklimmen. Um ein Haar hätten die beiden auf dem Weg nach oben eine Edelweisblüte gefunden (Die dafür zuständige Reqisiteurin des BR konnte keins rechtzeitig auftreiben).

Dennoch, die Überraschung ist perfekt. Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und Landwirschaftsministerin Michaela Kaniber sind auch schon da. Nur die grüne Katharina Schulze fehlte. Sie hatte Rücken.

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„Die da oben“ sind an diesem regnerischen Mittwochmorgen ausnahmsweise nicht Ministerpräsident Söder oder Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özedmir. Hier ist schauspielerisches Geschick gefragt, bei dem der schlichte Bürger die echte Volksnähe unserer Berg-Elite körperlich miterleben darf. „Bewundernswert, wie die Minister auf die Sattelalm bei Brannenburg gewandert sind“, erklärt ein zufällig anwesender Wanderer dem zufällig anwesenden Reporter der Süddeutschen Zeitung, der zufällig seinen Fotografen mitgebracht hat.

„Es sind die Almbauern, die ihre Chance nutzen, mit der Politik ins Gespräch zu kommen“, schreibt der Journalist später in der „SZ“, ohne dabei zu erwähnen, dass in der Hütte „hoch droben“ keine Sau ist, auch kein Bauer, nicht einmal eine Sennerin. Denn die Hütte wird seit Jahr und Tag nicht bewirtschaftet. Aber was erfindet man heutzutage nicht alles, um unserer Eltite Entschlossenheit, Bodenständigkeit und Volksnähe zu verleihen.

Hier in der unberührten Natur gilt nur das Wahre und Echte. Und hoch droben erwartet den Naturburschen Özi eine zünftige Brotzeit, – bei der Gailtalerin. Cems Blick verliert sich in der entfernten Zinnenkulisse der gewaltigen Gebiergskette. Doch jetzt gilt es, trockenen Fußes über den Eisbach zu kommen. Dafür hat die Partei-Regie in aller Eile mit frisch geschlagenem Holz eine nagelneue Brücke bauen lassen, während bayerische Sherpas zentnerweise Foto-Equipment hinterherschleifen.. 

„Der Wolf ist eine Herausforderung“, kommentiert Markus mit ernster Miene in die Micros. Auch Bundesminister Özdemir will sich dem Abschuss nicht in den Weg stellen, wenn Wölfe Probleme machen. „Ich werde sie nicht daran hindern“, ruft er den Almbäuerinnen und Almbauern zu und winkt hinüber ins Ungefähre, wo gerade unbeteiligt eine Kuh zufrieden im Gras liegend wiederkäut. Das leise Rattern von Dutzenden Schnellauslösern der Kameras durchschneiden die Alpenruhe und fangen die unverbrauchte Landschaft mitsamt diesem Korbinian Özdemir gekonnt ein.

Dann ein hastiges Interview mit dem Vorsitzenden des „Almwirtschaftlichen Vereins Oberbayern“ Sepp Glatz. Ein wenig abseits des Trubels rund um Cem und Markus gibt er Auskunft über verhaltensauffällige Problemwölfe. Immerhin gibt es in der Region nicht nur Problem-Bären, Problem-Hamster oder Problem-Murmeltiere, die den Problemwölfen und den Problempolitikern ernste Konkurrenz bei ihrer Nahrungsbeschaffung machen. Der strenge Schutz sei nicht mehr zeitgemäß und bedrohe die Almwirtschaft, lässt er die 18 Reporter wissen, die mit dem Heli kurz zuvor hinter der Hütte gelandet waren.

»Der Wolf sei immer noch da«, fügt er hinzu, nur »momentan macht er keinen Schaden«. Klappe zu – alles im Kasten. Die Minister steigen in die ein wenig abseitsstehenden Staatskarossen, mit denen sie klammheimlich und abseits der Kameras nach oben gebracht worden waren. Nun rauschen sie wieder talwärts. Der aufmerksame Zuschauer seufzt und schweigt, vor allem jener untrainierte Bürger, der schon einmal in Brannenburg hinauf zur Hütte gewandert ist. Ist man nach mehr als drei Stunden steilem Anstieg erst einmal oben angekommen, ist mit entspannten Mienen und locker-flockigem Kameralächeln nichts mehr, – die anderen glauben die Scheiße. Es geht doch nichts über eine gelungene Propagandashow. 

Motto-Wahlkämpfe haben in diesen Wochen nahezu inflationäre Züge angenommen. Während die Grüne Kathrin Göring-Eckardt zum „Fahrradfahren für die Demokratie“ in Thüringen aufrief und den Einheimischen mit ihrem AfD-Basching damit gewaltig auf die Nerven ging, warb der SPD-Kevin für seine Wahlveranstaltung „Klettern im Allgäu“. Jetzt treiben sich Söder, Aiwanger und Özdemir in den Chiemgauer Alpen herum, um beim Profilierungskraxeln auch noch die letzte Parteistimme eines unbedarften Almbauern abzugreifen, bevor er beim nächsten Alm-Abtrieb bei der AfD vorbeischaut. 

Der Artikel wurde erstveröffentlicht auf der politsatirischen Seite „Mancinis Scharfblick“, die wir Ihnen gerne empfehlen: https://politsatirischer.blogspot.com/2023/08/cem-auf-dem-weg-zur-gailtalerin-auf-der.html?fbclid=IwAR27wvKBRw1GXM1rY0hWjnBf65TeEkNsXHbGLBo5kXrZT_IXaYszlhzXCmk&m=

Wir bedanken uns für die Genehmigung zur Nachveröffentlichung.

Claudio Michele Mancini

Claudio Michele Mancini  wurde am 26. Dezember 1945 als Sohn einer deutschen Mutter und eines italienischen Vaters geboren und ist ein deutsch-italienischer Schriftsteller. Nach dem Abitur studierte er in München Psychologie und arbeitete als Dozent und Unternehmensberater in verschiedenen Ländern, u.a. in den USA. Bekannt wurde er durch sein Romandebüt Infamità (2006). In diesem Thriller beschreibt er psychologische Konstellationen des italienischen Gegenwartsalltags sowie Machtkämpfe innerhalb der Cosa Nostra zwischen Mafia-Paten und deren Rivalen.

Mancini lebt seit Jahren in Sizilien in der Nähe von Cefalu.

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