Spezialdemokraten: Neues aus dem Palast des Sonnenkönigs

von André Hagel

Spezialdemokraten: Neues aus dem Palast des Sonnenkönigs

Frank-Walter Steinmeier verkörpert glaubwürdig den Unterschied zwischen einem Demokraten und einem Sozialdemokraten.

Demokratie, das haben wir in der Schule gelernt, lebt vom Wettbewerb unterschiedlicher Positionen, Ideen, Konzepte. Und: Wo alle gleich denken oder wo von oben angesagt wird, wie die Dinge liegen und wie man sie gefälligst zu sehen hat, hat man es kaum mit einer Demokratie zu tun.

Frank-Walter Steinmeier, der sich gerne mit der Aura eines Sonnenkönigs umgebende Präsident angeblich aller Deutscher, ist offenbar in eine andere Schule gegangen: Er möchte – so darf man seine jüngsten verquasten, gleichwohl unverblümten Formulierungen deuten – die größte Oppositionspartei im Deutschen Bundestag, die dort mit 20 Prozent Stimmenanteil vertreten ist, in seriösen Umfragen mittlerweile schon ein Viertel der Bürger hinter sich weiß und in einigen Bundesländern bereits als künftige politische Nummer eins gehandelt wird, verbieten lassen. Ebenso hat er sich in gleichsam anonymisierter, dennoch offensichtlicher Weise für den Ausschluß von Kandidaten ebenjener Alternative für Deutschland von Landrats- und Bürgermeisterwahlen ausgesprochen. Das alles ausgerechnet am Jahrestag des Mauerfalls von 1989, einem der denkwürdigsten Tage der deutschen Demokratiegeschichte.

Damit hat der Bundespräsident mit qua Amt ruhendem SPD-Parteibuch nicht nur einmal mehr sein parteiliches Amtsverständnis und seine Kunst verklausulierter Hammerschläge gegen demokratische Fundamente unter Beweis gestellt, sondern ebenso ein geradezu brachiales Verständnis von Ironie: Sich ausgerechnet an einem Tag für antidemokratische Repressionsmaßnahmen starkzumachen, an dem vor 36 Jahren im Verbots- und Unterdrückungsstaat DDR die Diktatur in den Orkus der Geschichte zu rutschen begann – das hat vor ihm noch kein deutscher Bundespräsident fertiggebracht. So etwas schafft nur Steinmeier. Vor ihm hätte so etwas auch kein Bundespräsident gewollt.

Konkurrenzausschaltung nennt man so etwas unter Parteipolitikern, und ein solcher ist Steinmeier, der selbsternannte Hüter politischer Hygiene und Moral, trotz seines eigentlich überparteilichen Amtes immer gewesen und geblieben. Seine Partei, die SPD, die immer mehr Wähler an die ungeliebte AfD verliert, setzt in weiten Teilen auf einen unbegründeten, deshalb undemokratischen Verbotsantrag gegen die verhaßte Konkurrenz, statt sich auf ihren eigentlichen Auftrag für Land und Bürger zu besinnen. Steinmeier springt seinen Genossen unter Mißbrauch seines Amtes bei, und wo SPD-Chef Lars Klingbeil statt einer inhaltlichen Auseinandersetzung oder gar Selbstbesinnung zumeist lediglich ein verbissenes „Nazis!“ in Richtung jener Partei keift, die die scharenweise flüchtenden Wähler der SPD übernimmt, besorgt es der sozialdemokratische Hausherr in Schloß Bellevue, das so pöbelhafte wie demokratiefeindliche Gebaren seiner Genossen mit präsidialen Hermelinworten zu ummänteln. Die Stoßrichtung ist dieselbe: Beschädigung der Demokratie durch legalistisch daherkommende Ausschaltung parlamentarischer Opposition. Steinmeier will für die pseudodemokratischen Weihen dieser Demokratiedemontage sorgen. An deren Ende könnte eines Tages, sollte dieses unselige Prinzip ungehindert Karriere machen, ein Gebilde stehen, für das einst ein findiger Geist den Begriff der Demokratur ersann.

Der aktuelle deutsche Bundespräsident steht, was die Auseinandersetzung mit legitimer demokratischer Opposition angeht, immer mehr und immer offenherziger für letzteres. Oder, um dieses Schlimme doch wenigstens positiv zu formulieren: Frank-Walter Steinmeier verkörpert in seiner Person und seinem Amtsverständnis glaubwürdig den Unterschied zwischen einem Demokraten und einem Sozialdemokraten.

Foto: Bundespräsidialamt

Der Originalbeitrag ist auf der Facebookseite des Autors erschienen.

André Hagel

André Hagel, Jahrgang 1971, ist Redakteur und Autor. Er lebt in Münster, zeitweilig in Graz. Erschienen sind aus seiner Feder Sachbücher ebenso wie belletristische Titel. Außerdem bestreitet er mit seinen Texten Lesungen. Letzte Buchveröffentlichungen: „Eine Form von Intelligenz – Kurz- & Kleingeschichten“ und „Das Leben ist erbarmungslos und selten was dazwischen“ (beide erschienen bei Edition Reklamation).

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