Zwischen Knistern und EU-Verbot: Die besondere Welt der indonesischen Kretek-Zigaretten

von Hanno Borchert


Zwischen Knistern und EU-Verbot: Die besondere Welt der indonesischen Kretek-Zigaretten

Zum ersten Mal kam ich 1978, bei meinem ersten Aufenthalt in Indonesien, mit einer ganz besonderen Zigarette in Kontakt: der „Gudang Garam“. Diese typisch indonesischen Nelken-Zigaretten waren schon damals im ganzen Land weit verbreitet und erfreuten sich großer Beliebtheit – nicht nur bei Einheimischen, sondern auch bei neugierigen Reisenden wie mir. Sie gehörten und gehören bis heute in Indonesien zum alltäglichen Leben, zum gesellschaftlichen Austausch, zur Kultur. Die Mischung aus Tabak und zerkleinerten Nelkenknospen schafft ein Raucherlebnis, das mit dem westlichen Verständnis von Zigarettenkonsum kaum vergleichbar ist.

Was mich sofort faszinierte, war der unverwechselbare Geschmack: ein süßlich-würziges Nelkenaroma, das sich beim Rauchen sanft auf Zunge und Lippen legt. Hinzu kommt eine leicht betäubende Wirkung, die dem in den Nelken enthaltenen Eugenol zu verdanken ist – einem ätherischen Öl, das nicht nur aromatisch, sondern auch lokal anästhesierend wirkt. Es verleiht dem Raucherlebnis eine fast meditative Note.

Ein weiteres Markenzeichen dieser Zigaretten ist das feine, knisternde Geräusch beim Inhalieren – verursacht durch die sich im Tabak befindlichen Nelkenstücke. Dieses beruhigende Knistern nennt man in Indonesien „Kretek“, was lautmalerisch genau dieses Geräusch beschreibt. Aus diesem Grund tragen diese Zigaretten auch den Namen „Kretek-Zigaretten“. Auch das mit Süßstoff getränkte Zigarettenpapier gehört traditionell dazu und verstärkt den Eindruck eines aromatischen Genusses, der über das reine Rauchen weit hinausgeht.

Klobot – die Urform der Kretek

Eine ganz besondere, heute fast vergessene Variante dieser Kreteks sind die sogenannten „Klobot“-Zigaretten. Diese stellen die ursprüngliche, traditionelle Form der Kretek dar – bevor industriell hergestellte Papiere und Maschinenrollen den Markt übernahmen. „Klobot“ bedeutet auf Javanisch „Maisblatt“, doch oft werden auch getrocknete Bananenblätter oder Pisangblätter verwendet, in die der Tabak-Nelken-Mix kunstvoll per Hand gerollt wird.

Diese rustikale Hülle verleiht der Zigarette ein noch natürlicheres Aroma, das an offene Feuerstellen, tropische Gärten und ländliche Ursprünglichkeit erinnert. Der Rauch ist weicher, das Brennverhalten langsamer, das Geschmackserlebnis erdiger. Klobot-Zigaretten findet man heute fast nur noch in abgelegenen Dörfern auf Java oder in traditionellen Märkten, meist handgemacht von kleinen Familienbetrieben oder alten Meistern ihres Fachs.

Das Rauchen eines solchen Klobots ist nicht nur Konsum, es ist ein Ritual – eine Reise in die Vergangenheit, eine bewußte Hinwendung zu etwas Ursprünglichem, das mit industrieller Massenware nichts mehr zu tun hat.

Verbot und Entmündigung

Leider wurde 2016 in der EU – und damit auch in Deutschland – der Verkauf und die Einfuhr von Kretek-Zigaretten untersagt. Die Begründung: Ihr süßlicher Geschmack und aromatischer Duft könnten besonders Jugendliche zum Rauchen verleiten. Ob das wirklich zutrifft, sei dahingestellt. Für mich ist es vor allem eines: ein tiefer Eingriff in die persönliche Entscheidungsfreiheit.

Die Regelung basiert auf einer EU-Tabakproduktrichtlinie, die aromatisierte Tabakprodukte mit „charakteristischen Geschmacksrichtungen“ verbietet. Seither ist es nicht nur untersagt, solche Zigaretten in Deutschland zu verkaufen, sondern auch, sie privat aus dem Ausland einzuführen – selbst für den eigenen Gebrauch. Das betrifft also auch Reisende, die aus Indonesien zurückkehren und sich ein Päckchen ihres Lieblings-Kretek als Souvenir mitbringen möchten.

Es ist für mich schwer nachzuvollziehen, warum eine kulturell verwurzelte Zigarette wie die Kretek verboten wird, während industriell gefertigte Zigaretten mit zahllosen Zusatzstoffen weiterhin erlaubt sind. In einer freiheitlichen Gesellschaft sollte jeder mündige Bürger selbst entscheiden dürfen, was er konsumiert – sei es ein frisch gezapftes Bier, ein feines Glas Wein oder eben eine aromatische Nelkenzigarette. Die Schweiz zeigt hier ein anderes, freiheitliches Verständnis von Eigenverantwortung: Dort sind Kretek-Zigaretten weiterhin legal erhältlich.

Ein kleiner Trost

Für jene, die den einzigartigen Geschmack und das beruhigende Knistern der Kreteks nicht missen möchten oder sie einfach einmal ausprobieren wollen, gibt es zumindest noch eine Alternative: Nelken-Zigarillos mit Tabakdeckblatt von der Marke Djarum – ebenfalls ein traditionsreicher indonesischer Hersteller. Diese sind nach wie vor frei verkäuflich und bieten einen kleinen Vorgeschmack auf das große Erlebnis des Kretek-Rauchens.

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Hanno Borchert

Hanno Borchert

Hanno Borchert, geb. 1959, Cuxhavener Jung von der Elbmündung. Schon in jungen Jahren wurde durch die Weltenbummelei (Südtirol, Balkan, Skandinavien, Indien, Iran, Indonesien u.a.) die Beigeisterung für die Sache der Völker geweckt.

Ausgebildeter Handwerkergeselle mit abgeschlossenem Studium der Wirtschaftswissenschaften. Bücherwurm seit Kindheitstagen an, musiziert und malt gerne und beschäftigt sich mit der Kunst des Graphik-Designs.

„Alter Herr“ der schlagenden Studentenverbindung „Landsmannschaft Mecklenburgia-Rostock im CC zu Hamburg“. Parteilos. Ist häufig auf Konzerten quer durch fast alle Genres unterwegs. Hört besonders gerne Bluegrass, Country, Blues und Irish Folk. Großer Fan des leider viel zu früh verstorbenen mitteldeutschen Liedermachers Gerhard Gundermann.

Redakteur der alten wie neuen „wir selbst“, zwischendurch Redakteur der „Volkslust“.

Hier finden Sie die Druckausgaben der Zeitschrift wir selbst, Nr. 55/1-2024 und 54/1-2023:

Die beiden Druckausgaben des Jahres 2022 unserer Zeitschrift sind auch noch erhältlich:

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